Das ist die Geschichte der zweijährigen Zoe. Sie starb am 31. Januar 2012 in Berlin-Weißensee nach massiven Schlägen gegen den Bauch.
Zoes Mutter brachte im Alter von 21 Jahren ihr erstes Kind zur Welt, einen Jungen. Kaum zwei Jahre später wurde sie Mutter von Zwillingen, einem Jungen und einem Mädchen namens Zoe. Inzwischen hatte sie auch einen neuen Lebensgefährten kennengelernt und zog anderthalb Jahre später mit ihm nach Berlin-Weißensee. Nach außen hin hatte es den Anschein, so berichteten Nachbarn, als wäre das Familienleben harmonisch und intakt. Niemand wusste, dass der neue Lebensgefährte, wenn er mit den Kindern alleine war, diese misshandelte. Außerdem wurde die Familie bereits im Auftrag des Jugendamtes durch einen freien Träger betreut. Fast täglich, bis auf den Januar 2010 besuchte ein Familienhelfer die Familie.
Damals wurde festgestellt, dass Zoe und ihr Zwillingsbruder, sowie ihr älterer Bruder sprachlich und motorisch nicht altersgerecht entwickelt waren. Daher sollten sie in einem Sozialpädiatrischen Zentrum behandelt werden. Ebenso sollten KiTaplätze für die Kinder gesucht werden. Niemand wusste zu diesem Zeitpunkt, dass Zoes Mutter schon längst wieder schwanger war. Diesmal von ihrem neuen Lebensgefährten. Und niemand bekam mit, dass alle drei Kinder regelmäßigen Misshandlungen durch den Lebensgefährten ausgesetzt waren.
Wenn Zoes Mutter doch einmal von Nachbarn oder in der KiTa auf verschiedene Hämatome angesprochen wordenwar, sagte sie stets, diese seien beim Spielen entstanden. Sogar die Familienhelfer glaubten ihr und wurden nicht stutzig.
Am 28. Januar 2012 wollte der Lebensgefährte die drei Kinder duschen. Aber als vor allem Zoe wieder nicht gehorchte, verlor er die Nerven. Zoes Zwillingsbruder brach er den Arm. Auf Zoe schlug er ein. Das kleine Mädchen schrie vor Schmerzen und Zoes Mutter eilte zu ihr ins Badezimmer. Sie versuchte Zoe zu beruhigen, verließ aber kurze Zeit später wieder das Bad, ohne zu schauen, wie schwer Zoe verletzt war.
Zoe erlitt in Folge der Schläge innere Verletzungen, einen Darmriss, wodurch sich das Bauchfell entzündete. Zoes Schmerzen waren so stark, dass sie ununterbrochen schrie und sich übergab.
Die Familienhelferinnen, welche für mindestens acht Stunden in der Woche die Familie betreuen sollten,waren im besagten Januar aber nur am Tag vor Zoes Tod bei der Familie erschienen, da sie viele anderweitige Termine und Amtsgänge zu erledigen hatten.
Die zwei Familienhelferinnen, die eben an jenem Tag vor Zoes Tod die Familie aufsuchten, sahen das kleine Mädchen , welches von Schmerzen entstellt war, im Bett liegen, kümmerten sich aber nicht weiter um das Kind oder nahmen sie genauer in Augenschein. Auch, dass Zoes Zwillingsbruder seinen Arm nicht richtig bewegen konnte, bemerkten sie zwar, aber schenkten dem keine weitere Beachtung. Sie wiesen Zoes Mutter und deren Lebensgefährten lediglich an, das kleine Mädchen umgehend zum Arzt zu bringen. Die beiden boten sich auch selbst an, Zoe zu einem Arzt zu bringen, was abgelehnt wurde. Die Familienhelferinnen verließen sich nun darauf, dass die Mutter und deren Lebensgefährte mit Zoe einen Arzt aufsuchen würden. Sie verließen die Familie und die kleine, schwer verletzte Zoe.
Tatsächlich machten sich Zoes Mutter und ihr Lebensgefährte auf den Weg ins Krankenhaus. Jedoch überredete der Lebensgefährte Zoes Mutter zur Umkehr. Somit fuhren beide nicht ins Krankenhaus, sondern zum Einkaufen und anschließend, ohne beim Arzt gewesen zu sein, wieder nach Hause.
Am 31. Januar 2012, gegen 4 Uhr, alarmierte der Lebensgefährte den Notruf. Der eintreffende Notarzt konnte der kleinen Zoe nicht mehr helfen. Zoe hatte sich, aufgrund der Entzündungen im Bauchraum, wieder einmal übergeben und war an ihrem Erbrochenen erstickt.
Zoe hat mehrere Tage, insgesamt waren es 60 Stunden, mit unsagbaren Schmerzen im Bett gelegen. Wäre sie zum Arzt gebracht worden, hätten die Familienhelferinnen sie nicht einfach zurück gelassen, hätte sie mit Sicherheit gerettet werden können.
Schon auf einem Bild, welches zwei Monate vor Zoes Tod aufgenommen worden war, sieht man eine Platzwunde an ihrem Kopf, sowie ein blau geschlagenes Auge. Zu dieser Zeit wurde die Familie bis zu zehn Stunden in der Woche durch Familienhelfer betreut, aber niemand hat etwas gesehen oder bemerkt.
Die Gerichtsmedizinerin zählte im anschließenden Prozess die Verletzungen an Zoes kleinem Körper auf:
Einblutungen am Rücken, am Rumpf, der Ohrmuschel, dem Kiefer, der Stirn, Oberschenkel, Kniescheibe, Sprunggelenk. Zwölf Einblutungen allein am Kopf, sechs weitere am Arm.
Zum Tode führte schließlich eine Entzündung des Bauchraums, die zu einem Herz-Kreislauf-Versagen geführt hatte.
Zoes Geschwister wurden zur Sicherheit nach Zoes Tod ärztlich untersucht. Man fand bei ihnen ebenfalls Hämatome und bei Zoes Bruder den gebrochenen Arm. Beide Kinder sprachen nicht, weinten lautlos, wimmerten stumm. Bis Zoes Zwillingsbruder, ein paar Wochen später, in der Kinderklinik hinfiel. Zum ersten Mal weinte er nicht mehr leise in sich hinein. Weitere Wochen später fingen die beiden Kinder an zu sprechen, auch über die Geschehnisse. Allerdings durfte kein Mann den beiden Jungs zu nahe kommen, geschweige denn sie anfassen. Zu traumatisch waren die Erinnerung an die Misshandlungen durch den Lebensgefährten. Weiterhin berichteten sie über den Ort ihrer Angst, dem Badezimmer, denn dies war der Ort der Züchtigungen durch den Lebensgefährten.
Beisetzung:
Zoe wurde auf dem Auferstehungsfriedhof in Lichtenberg in einem Urnengrab beigesetzt. An ihrer zehnminütigen Trauerfeier nahmen 20 Personen teil. Auch der Großvater von Zoe, der aus Hamburg angereist war, nahm Abschied von seiner Enkelin. Zoes Mutter nahm ebenfalls an der Trauerfeier teil.
Gerichtsurteil:
Der wichtigste Zeuge im Prozess war ein Bekannter des Lebensgefährten. Dieser hatte drei bis vier Monate mit in der Wohnung der Familie gelebt.
Schon nach kurzer Zeit waren dem Bekannten vermehrt blaue Flecken an den drei Kindern aufgefallen. Auch, dass der Lebensgefährte von den beiden zweijährigen Zwillingen verlangte, sie sollten ihre Kleidung selbst zusammensuchen und auch in den Schrank räumen, verunsicherte den Bekannten. Später sagte er aus, der Lebensgefährte „wollte seine Macht präsentieren“. Um die Weihnachtszeit herum hatte der Bekannte einen Weihnachtsbaum, sowie ein paar Kleinigkeiten für die Kinder besorgt. Hierzu sagte der Bekannte im Prozess aus, dass die Kinder sehr still gewesen waren und sich kaum gerührt hätten. In der Regel hätte ihn das älteste Kind immer begrüßt.
Weiterhin sagte er aus, dass der älteste Junge kaum geredet habe, die beiden Zwillinge, also Zoe und ihr Bruder, überhaupt nicht. Auch gab er zu Wort, dass der Lebensgefährte, sobald die Familienhelferinnen erschienen sind, mit mindestens einem Kind die Wohnung verlassen habe. Der Bekannte hätte auch an einem Tag, als drei Sozialarbeiter in der Wohnung anwesend waren, diese auf die Gesamtsituation aufmerksam gemacht. Das Amt bestritt allerdings, über etwaige Missstände informiert worden zu sein.
Als sich die Geburt des vierten Kindes ankündigte und Mutter und Lebensgefährte im Krankenhaus waren, übernahm der Bekannte und eine seiner Freundinnen die Betreuung der drei Kinder. Als die Kinder gebadet wurden, sah auch die Freundin die blauen Flecken am Körper der Kinder im Genitalbereich, an den Armen, sowie am Kinn.
Als Zoes Mutter und ihr Lebensgefährte aus dem Krankenhaus zurückkehrten, brachten sie ihr erstes gemeinsames Kind, ein Mädchen, nicht mit nach Hause. In Übereinkunft mit dem Jugendamt wurde es direkt nach der Geburt zur Adoption frei gegeben.
Das letzte Mal, als der Bekannte die Wohnung betrat, um seine Sachen abzuholen, einen Tag vor Zoes Tod, hörte er die kleine Zoe dreimal schreien. Es seien Schmerzensschreie gewesen.
Fast 2 1/2 Jahre nach Zoes Tod wurde, nach einem über fünfmonatigem Indizienprozess, am Freitag, den 11. Juli 2014 im Berliner Landgericht Moabit, ein Urteil gesprochen.
Zoes Mutter wurde wegen Mordes durch Unterlassen zu acht Jahren Haft verurteilt. Der Lebensgefährte musste wegen Mordes durch Unterlassen und Misshandlung von Schutzbefohlenen für zwölf Jahre hinter Gitter.
Der Richter sah von der per Gesetz vorgesehenen lebenslangen Freiheitsstrafe, so wie es die Staatsanwaltschaft forderte, ab. In seiner Urteilsbegründung erklärte er die milde ausfallende Strafe damit, dass weder der Lebensgefährte noch die Mutter vorbestraft seien, beide selbst in ihrem Leben einiges durchgemacht hatten und der Lebensgefährte letztlich durch einen hilflosen Versuch bemüht war, Zoes Leid mit einer Wärmelampe zu lindern, auch wenn dies viel zu spät geschehen sei.
Zudem, so der Schwurgerichtsvorsitzende, sei das passive Verhalten der Mutter und des Lebensgefährten nicht mit einem aktiven Tun, also der direkten Tötung von Zoe gleichzusetzen.
Ihre Schuld am Tod von Zoe gestanden sich die Mutter und ihr Lebensgefährte nicht ein und legten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin-Moabit vom 11. Juli 2014 Revision ein. Die Revision des Lebensgefährten wurde verworfen, somit war dessen Urteil rechtskräftig.
Der Revision der Mutter wurde vom Bundesgerichtshof stattgegeben und ihr Urteil wurde zum Teil aufgehoben. Beim Mordvorwurf wären wichtige Fakten im ersten Urteil nicht berücksichtigt worden.
Zur Begründung hieß es:
„So ist nicht festgestellt, dass auch die Angeklagte … von dem Faustschlag oder Tritt des Angeklagten … in den Bauch des Kindes wusste… Angesichts dessen hätte das Landgericht… prüfen müssen, ob sie (die Angeklagte) … darauf hoffte, dass der … Leidenszustand Zoes…nicht zu ihrem Tod“ führte“.
Quelle: rbb-online, 09.09.2015
Im zweiten Prozess musste das Gericht feststellen, ob die Mutter tatsächlich „absichtlich und vorsätzlich“ ihre Tochter habe sterben lassen oder aber, wie von ihr behauptet, nichts von den Misshandlungen gewusst habe. Falls festgestellt werden sollte, dass sie keine Kenntnis von den Misshandlungen hatte, wäre ihr Angabe, dass sie hoffte, Zoes Zustand würde sich bessern, berechtigt gewesen sei. Demzufolge wäre sie keine Mörderin.
Im November 2015 wurde Zoes Mutter abermals wegen Mordes durch Unterlassen zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt. Der von ihr abgestrebte Freispruch blieb damit aus. Das Gericht kam erneut zu der Überzeugung, dass sie Zoe habe Schmerzen leiden lassen und sie nicht zum Arzt brachte, weil sie die Misshandlungen ihres Lebensgefährten decken wollte. Sie habe somit im Kauf genommen, dass Zoe stirbt.
Zoes Brüder, die schwer traumatisiert und entwicklungsverzögert waren, leben inzwischen in einer Pflegefamilie in Norddeutschland. In ihrer neuen sicheren und liebevollen Umgebung entwickeln sie sich gut, so die Aussage des Rechtsanwaltes, der die Kinder im Prozess als Nebenkläger vertreten hatte. Zoes ältester Bruder kommt demächst in die Schule, trägt mit seinen sieben Jahren aber immer noch eine Windel und wird nur im Beisein eines Sozialarbeiters am Unterricht teilnehmen können.
Das eingestellte Verfahren gegen die Familienhelferinnen wird, laut Staatsanwaltschaft wieder aufgenommen, da hier zu viele Fragen offen sind. Auch der Richter ließ hinsichtlich dem Verhalten der Familienhelferinnen anmerken, dass ihn deren Aussagen nicht überzeugt hätten.
Leider sind bis heute diesbezüglich keine weiteren Informationen auffindbar.