Siri

Das ist die Geschichte der kleinen Siri, deren Name „Glück“ bedeutete. Geboren wurde sie am 30. August 2007 in Wetzlar. Ihr Leben endete nach acht Monaten am 02. Mai 2008.

Siris Mutter, eine 36-jährige Frau aus Kanada, war bereits Mutter zweier Kinder. Von den Vätern dieser Kinder lebte sie getrennt. Da sie ihre Kinder vernachlässigte, wurde ihr das Sorgerecht entzogen. Im Jahr 2006 lernte sie über das Internet einen neuen Mann kennen. Dieser besuchte sie sodann in Kanada und beide gingen eine Beziehung ein. Als die 36-jährige von ihrem neuen Lebensgefährten ein Kind erwartete, bezog das arbeitslose Paar eine Wohnung in Wetzlar.

Am 30. August 2008 wurde die kleine Siri geboren. Bereits wenige Wochen nach der Geburt ihrer Tochter beschlossen ihren Eltern, das kleine Mädchen zu quälen. Von Mal zu Mal wurden die Misshandlungen ausgeweitet. Immer extremer, immer bestalischer. Siri wurde auf unvorstellbar grausame Art und Weise gefoltert, sowie körperlich als auch seelisch. Dabei kannten ihre Eltern keine Gnade. Stattdessen empfanden sie Freude an den Handlungen, welche sie teilweise auf Video festhielten.

Im November 2007 informierte ein Nachbar das Jugendamt. Er machte sich Sorgen um das Baby, da stets die Rolladen der Wohnung heruntergelassen gewesen seien. Der erste Besuch einer Sozialarbeiterin des Jugendamtes fand sodann Ende 2007 statt. Der letzte Besuch Mitte April 2008. Nach beiden Besuchen attestierte die Mitarbeiterin, Siri sei in einem guten Zustand. Ungewöhnliche Auffälligkeiten habe es nicht gegeben.

Siri wurde indessen weiter misshandelt. In den Wochen vor ihrem Tod ließen ihre Eltern sie aushungern, so dass sie völlig abmagerte. Zudem wurden ihr mehrfach die kleinen Knochen gebrochen. Durch die Schmerzen ihrer gebrochenen Glieder und anderer ihr zugefügten Verletzungen wimmerte und schrie sie unentwegt.

Im Juni 2008, nur wenige Tage vor Siris Tod, ging eine Nachricht beim Kinderschutzbund ein. Eine Nachbarin informierte darüber, dass Siri abgemagert sei und nachts nur noch wimmern würde. Es wurde erfolglos versucht, mit dem Jugendamt und auch Siris Eltern in Kontakt zu treten. Doch leider verpasste man sich an diesem Tag mehrmals. Erst für das nächste Wochenende wurde ein Termin vereinbart. Zudem bat die Sozialarbeiterin des Jugendamtes Siris Vater um einen Gesprächstermin, indem sie ihm eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlies.

In der Nacht zum 02. Mai 2008 endeten die Qualen von Siri. Ihre Eltern folterten das kleine Mädchen erneut und zerdrückten ihre Lippen mit einem zangenähnlichen Gerät. Als Siri nicht aufhörte zu weinen, schlugen sie ihr zusätzlich mit der Faust auf die Lippen.

Um den Besuch des Jugendamtes zu umgehen und die Misshandlungen zu verschleiern, versuchten sie einen plötzlichen Kindstod vorzutäuschen. Sie packten Siri an den Füßen, warfen sie mit dem Kopf auf den Boden und schleuderten sie gegen eine Wand.

Am nächsten Morgen lag Siri reglos in ihrem Bett. Ihr Vater verständigte den Notarzt, aber es war zu spät.
Laut Obduktion erlitt Siri Verletzungen im Gesichtsbereich, ein ausgedehntes, schweres Schädeslhirntrauma mit einer Trümmerfraktur der linken Schädelhälfte und eine Blutung zwischen Hirnhaut und Gehirn sowie eine massive Hirnschwellung. Siris Schädel war vollkommen zertrümmert. Auch weitere Verletzungen, die unmöglich durch Unfälle, sondern durch schwerste Gewalteinwirkungen über verschiedene Zeiträume entstanden waren wurden an dem kleinen Körper festgestellt. Schon diese hätten bereits zum Tode von Siri führen können.

Beisetzung:
Siri wurde in Wetzlar beigesetzt. Ihr Grab ist mit einer Holzumrandung eingefasst worden und einem Stein, der ihren Namen trägt. Auch heute noch wird ihre letzte Ruhestätte liebevoll gepflegt.

Gerichtsurteil:
Vor dem Landgericht Limburg wurden Siris Eltern zur Verantwortung gezogen. Sie wurden wegen versuchten und vollendeten Mordes sowie die Misshandlung von Schutzbefohlenen angeklagt.

Im Prozess wurden auch Teile der Videoaufnahmen gezeigt, welche die Eltern während der verschiedensten Misshandlungen angefertigt hatten. Unter anderem war zu sehen, wie Siri in ihrem Bett lag, ihr Vater sie packte und sie in dem dunklen Zimmer ca. 20 Mal hoch in die Luft warf. Siri schrie bitterlich, ihr Gesichtsausdruck war voller Qual. Ihre Mutter empfand Belustigung, während ihr Töchterchen in die Luft flog. Andere Nahaufnahmen zeigten das blutverschmierte und verbrannte Gesicht des kleinen Mädchens.

Im Laufe der Verhandlungen schien Siris Vater absolut unbeteiligt. Siris Mutter hingegen war sehr viel am weinen.

In Aussagen kurz nach der Festnahme hatten beide begonnen sich gegenseitig zu belasten. Die Mutter gab an, der Kindsvater sei häufig sehr grob mit Siri umgegangen. Der Vater lastete der Mutter an, sie hätte Siri vernachlässigt und sich von Dämonen bedroht gefühlt. Weiterhin sei Siri durch einen „dummen Unfall mit tödlichen Ausgang“ gestorben. Einmal hieß es, Siri sei vom Kühlschrank gefallen, so gab es der Vater gegenüber der Mutter an. Dann in einem späteren Brief aus der Untersuchungshaft teilte er ihr mit, beim herumtoben sei der Teppich verrutscht und Siri wäre mit dem Kopf gegen einen Schrank gestoßen.
Nach einem Prozess, der sich über sechs Monate erstreckte, wurden Siris Eltern wegen Mordes zur Verdeckung einer Straftat und wegen Kindesmisshandlung im Mai 2010 zu einer lebenslangen Haft verurteilt. Das Gericht stellte eine besondere Schwere der Schuld fest, was bedeutet, dass beide auch nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe von 15 Jahren nicht wieder auf freien Fuß kommen werden.

Die Verteidigung des Vaters hatte einen Freispruch gefordert, da nicht klar sei, wer Siri die Verletzungen zugefügt habe, die letztendlich zu ihrem Tod geführt hatten. Die Verteidigung der Mutter gab an, zwar gäbe es die Video- und auch Fotoaufnahmen, aber hier sei nur zu sehen, wie Siri verletzt worden wäre. Ein Mord könne der Mutter nicht angelastet werden, weil sie diesen nicht begangen habe.

Im Oktober 2010 begann der Prozess gegen die Sozialarbeiterin wegen Körperverletzung durch Unterlassen. Die Sozialarbeiterin habe bei den Hausbesuchen Ende 2007 und im April 2008 zwar Verletzungen an Siri, vorrangig im Gesichtsbereich festgestellt, allerdings wäre sie, so die Anklage, ihrer Pflicht Siri medizinisch versorgen zu lassen nicht nachgekommen. Somit hätte sie in Kauf genommen, dass Siri auf Grund der Verletzungen weiter Schmerzen erlitt.

Die Sozialarbeiterin, welche erst seit wenigen Monaten als solche tätig war, sagte:

„Wenn alles so eindeutig gewesen wäre, hätte ich nicht geschrieben, dass ich einen positiven Eindruck hatte.“ Quelle, Frankfurter Allgemeine, 28.10.2010

Zumal sei sie in ihrer Ausbildung, welche sie 2007 beendet habe, auf solche Situationen wie im Fall von Siri nicht vorbereitet worden. Medizinische Fachkenntnisse hätte sie ebenso wenig in der Ausbildung erworben.
Der zuständige Leiter des Jugendamtes gab an, man habe gemeinsam den Fall vor dem ersten Hausbesuch besprochen und er habe seiner Mitarbeiterin zugetraut, die Familie allein zu besuchen.

Im April 2008, also beim letzten Besuch der Sozialarbeiterin, wäre Siris Zustand nach Aussagen von Sachverständigen bereits sehr schlimm gewesen. Dies wurde auf den Fotos ersichtlich, welche die Eltern von Siri gemacht hatten. Auf diesen Bildern war Siri mit blauen Flecken, abgemagert und strohigen Haaren zu sehen.

Ob die Sozialarbeiterin die Lage hätte richtig einschätzen müssen, dazu äußerte sich ein Kinderarzt:

„Sie hätten den kritischen Zustand des Kindes erkennen können, aber nicht zwingend müssen.“ Dafür sei viel Erfahrung und auch medizinisches Wissen nötig. Quelle, Frankfurter Allgemeine, 04.11.2010

Im November 2010 wurde die Sozialarbeiterin von der Anklage der unterlassenen Hilfeleistung frei gesprochen, da ihr ein Fehlverhalten nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte.

Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Im April 2011 wurde die Sozialarbeiterin jedoch erneut freigesprochen. Sie sei von Siris Eltern getäuscht worden, diese haben sich ihr gegenüber als fürsorglich dargestellt, was auch Siris Vater in einem Brief bestätigte und auch Siris Mutter hatte die Sozialarbeiterin bereits im ersten Prozess in Schutz genommen.

Sehr wahrscheinlich hätte wohl eine erfahrene Sozialarbeiterin die Situation anders bewertet, aber daraus könne man keinen fahrlässigen Fehler der angeklagten Sozialarbeiterin ableiten, so der Vorsitzende Richter.

Ein medizinischer Gutachter sagte zudem aus, dass die Sozialarbeiterin Siri hätte ausziehen müssen, damit sie die Verletzungen hätte erkennen können. Zu diesem Vorgehen wäre sie allerdings nicht berechtigt gewesen.