Sandra

Mein Name ist Sandra und dies ist meine Geschichte.

Ich habe überlebt und möchte mit meiner Geschichte ein Zeichen setzen, für all die Anderen, die ebenfalls überlebt haben.

Alles begann, als ich noch ein Baby war!

Mein Vater, schwerer Alkoholiker und psychisch krank, schmiss mich einfach in einen Schrank, damit ich nicht mehr brüllte. Dann trennte sich meine Mutter von ihm, flüchtete mit mir und lernte einen ehemaligen Soldaten kennen…

Mit fünf Jahren musste ich bereits richtig rechnen und schreiben können. Wurde die Treppe hochgetreten. Im Alter von sechseinhalb Jahren wurde ich dann vom neuen Mann meiner Mutter adoptiert, alles unter Vortäuschung falscher Tatsachen….

Ein Knick im Heft und ich musste alles (das ganze Heft) neu schreiben, ich musste jeden Abend vor meinen Eltern  zur Körperkontrolle antreten. Durfte nur fünf Minuten baden im Dreckwasser meiner Eltern. Gekleidet war ich wie ein Junge, hatte Haare wie ein Junge.

Dann, zwei Jahre später, begann auch noch der Missbrauch durch einen Onkel, der einzog.

Übergriffe gegen Schutz, hieß es. Im Endeffekt brachte auch das nichts. Beugte ich mich nicht dem Onkel und ließ ihn gewähren, wurde sämtlicher Ärger, den er hatte auf mich projiziert und ich wurde zusammen gebrüllt. Ließ ich ihn gewähren war es nicht weniger schlimm.

Kam Besuch zu uns, durfte ich das Zimmer nicht verlassen. Nur einmal auf die Toilette gehen, kein Trinken, Essen nur im Zimmer. Waren wir im Urlaub, durften alle Begleitkinder feiern, obwohl sie jünger waren, nur ich nicht. Ich musste immer brav um 20:00 Uhr im Bett sein. Ich wurde so derart kontrolliert, dass ich jede einzelne Unterrichtsstunde unterschreiben lassen musste, als Nachweis, dass ich anwesend war. Jeden Pfennig Geld, den ich irgendwoher bekam, wurde mir sofort abgenommen. Die Hausarbeit verrichtete ich letzten Endes fast komplett alleine. Alles musste nach Farbe, Größe und Form sortiert sein. Kleidung akkurat auf Linie zusammengelegt, Spielsachen ebenso, als Kleidung bekam ich nur Abgetragenes von Kollegen-Kindern. Nur einmal im Jahr einen Satz neue Kleidung. Getränke wurden eingeschlossen. Aus dem Kühlschrank durfte ich nur bestimmte Lebensmittel nehmen. An Weihnachten wurde nie auf meine Wünsche eingegangen. Kinder zu meinen Geburtstagen ausgeladen, weil ich nicht perfekt putzte.

Im Grunde hieß es, ich bin eh zu doof, um was zu werden. Niemand hörte mir zu. Wenn ich nachts erbrach, hieß es ich mache es mit Absicht.

Heute habe ich auch noch mit den Folgen zu tun. Schwerer Reizmagen und Darmprobleme. Ängste. Angst unter Menschen zu sein. Ja, ich habe versucht mich zu erhängen und mit Tabletten umzubringen. Dennoch, im letzten Moment hörte ich auf, weil es eine Person gab, die mich liebte. Aber auch diese Person konnte nichts tun.

Selbst nach der Trennung von meinem Adoptivvater wurde es nicht besser. Weiterhin nur Verbote. Freunde wurden vergrault, ich immer und überall blamiert und bloßgestellt. Privatsphäre war mir ebenso fremd.

Ich wurde bis zur Alkoholvergiftung durch massives Einflößen von Alkohol gebracht und musste dann das Erbrochene in der blanken Sonne entfernen, nach einigen Tagen der Nicht-Ansprechbarkeit. Meine Magersucht wurde als Faulheit zu Essen abgetan. Viele Entscheidungen, die getroffen wurden, die ausschließlich meine Person betrafen, waren grundlegend falsch. Mit 15 Jahren durfte ich mein Essen nur noch in der eigenen Mikrowelle im Kinderzimmer machen. Ich musste darum betteln, meine Wäsche in der Waschmaschine waschen zu dürfen. Denn meine Wäsche durfte nicht mehr in den gemeinsamen Wäschekorb.

Freiheit hatte ich erst mit 19 Jahren, als ich auszog. Aber auch hier erhielt ich nie Hilfe. Meine Seele war schon gebrochen.  Aussprachen fanden nur teilweise statt und das Ergebnis war „Ach, so schlimm war das doch gar nicht“.

Heute habe ich nach wie vor keine Freunde. Dafür eigene Kinder und lebe in Scheidung. Ich habe aber zum Glück einen neuen Mann an meiner Seite, der mich versteht und dem ich vertraue.

Allen Betroffenen, die Leid in jeglicher Form erlitten haben, sage ich:

IHR wart Opfer niemals Täter. Ihr wart Babys, Kinder. Nicht ihr tragt die Schuld. Sondern reinweg der Erwachsene, der Ältere. Wir als Kinder waren ahnungslos. Keiner von uns wusste was richtig oder falsch ist. Aber jeder von uns wusste jeder bekommt seine gerechte Strafe, für das was er uns jemals antat.
Auch wir waren absolut wehrlos. Darum werdet nicht so wie Eure Peiniger. Oftmals waren sie auch Opfer und haben dann die Rolle des Täters übernommen. Solltet ihr merken ihr verändert Euch in diese Richtung, bitte macht eine Traumatherapie. Bitte werdet nicht zum Täter.
Fangt an zu Leben. Wir, die Opfer, sind so stark. Wir haben das alles überstanden, die seelische Grausamkeit. Und die Schwachen hierbei sind die Täter.