Noel

Diese Geschichte erzählt von Noel. Im Alter von nur zehn Monaten verstarb er am 09. Dezember 2013 an den Folgen schwerer Hirnverletzungen.

Kurz nachdem sich Noels Eltern kennengelernt hatten, kündigte sich auch schon eine Schwangerschaft an. Schließlich wurden Noel und seine Zwillingsschwester geboren. Da der Vater arbeitslos war, kümmerte er sich weitestgehend um die Versorgung der Kinder, sodass die Mutter ihrer Berufstätigkeit nachgehen konnte.

Zehn Monate später, am Abend des 04. Dezember 2013, war der Vater wieder einmal mit seinen beiden Kindern alleine in der Wohnung in Runkel/Limburg. Die Mutter besuchte währenddessen einen Weihnachtsmarkt in Würzburg.

Der Vater schilderte später den Verlauf des Tages als nicht außergewöhnlich. Der einzig besondere Vorfall sei der zahnärztliche Eingriff gewesen. Bei diesem wurden ihm zwei Weisheitszähne entfernt. Aber danach habe er sich um seine Kinder wie gewohnt gekümmert und diese seien auch ganz lieb gewesen.

Gegen 18.30 Uhr habe er Noel und seine Schwester gefüttert. Noel sei während des Trinkens eingeschlafen und er habe ihn sodann im Wohnzimmer auf der Couch abgelegt. Daraufhin sei er mit seiner Tochter in die Küche gegangen, um auch ihr das Fläschchen zuzubereiten. Einige Minuten später wäre er ins Wohnzimmer zurückgekehrt und sah Noel regungslos auf dem Boden liegen. Er nahm ihn mit beiden Händen unter den Achseln. Noels Kopf wäre nach hinten geklappt gewesen, sein Körper erschlafft und seine Augen waren verdreht. Aus Panik, so erläuterte er, schüttelte er seinen Sohn zwei bis dreimal moderat, um ihn wieder wach zu machen. Da dies misslang informierte er den Notarzt, welcher auch zehn Minuten später in der Wohnung eintraf. Noel wurde in eine Wiesbadener Klinik eingeliefert. Er kam nicht wieder zu Bewusstsein und verstarb am 09. Dezember 2013 am sogenannten Hirntod, als Folge eines Schütteltraumas.

Weil der Mediziner bei der Obduktion nur noch ein breimassiges Hirn in Noels Kopf vorfand, kamen ihm Zweifel im Hinblick auf den vom Vater geschilderten Tathergang.

Am 19. Dezember 2013 kam Noels Vater in Untersuchungshaft.

Gerichtsurteil:
Im Gerichtssaal teilte Noels Mutter ihrem Lebensgefährten mit, dass sie sich von ihm getrennt habe. Jedoch belastete sie ihren Lebensgefährten nicht. Im Gegenteil, sie sagte aus, dass er ein sehr liebevoller Vater gewesen sei.

Die Verteidigung schenkte den Ausführungen des Vaters zum Tathergang Glauben und argumentierte im Prozess, dass der Vater sein Kind geliebt habe und lediglich seine Sorgfaltspflicht verletzt und sich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht habe. Ebenso sei keine Motivation des Vaters erkennbar gewesen, seinen Sohn zu misshandeln, schon gar kein Tötungsvorsatz zu erkennen gewesen.

Um zu untermauern, dass der Vater Noel nicht töten, sondern vielmehr retten wollte und das Schütteln eine unter Panik lebensrettende Maßnahme gewesen sein solle, lag alle Hoffnung der Verteidigung in den Ausführungen zweier weiterer Sachverständiger. Zuvor hatten bereits zwei andere Gutachter Stellung genommen und die Schilderungen des Vaters als nicht glaubhaft eingestuft.

Auch die beiden neuen Sachverständigen kamen zu einem vernichtenden, übereinstimmenden Ergebnis. Noels Verletzungen zeugten von schwerster Gewalteinwirkung. Diese könnten nicht von einem Sturz von einer 35 cm hohen Couch auf einen Teppich herrühren.

Auch als die Richterin den Vater fragte, warum er ein zehn Monate altes Krabbelkind auf einer Couch liegen gelassen habe, sagte der Vater, er hätte nicht gedacht, dass Noel von der Couch fallen könnte.

Das Gericht kam letztendlich zu der Überzeugung, dass der Vater seinen kleinen Sohn gewaltsam gefügig habe machen wollen, weil Noel nicht trinken oder aber schlafen wollte. Er griff zu rabiaten Mitteln, nahm den kleinen Körper seinen Sohnes in beide Hände und schüttelte diesen. Noels Kopf schlug unkontrolliert hin und her. In der Verhandlung äußerte sich einer der Gutachter noch dahingehend, dass Noels Verletzungen vergleichbar schwer wie nach einem Flugzeugabsturz gewesen wären.

Trotz allem plädierte die Verteidigung auf fahrlässige Tötung. Zudem auf Freispruch, denn laut Argumentation wäre der Vater schon ausreichend durch den Tod seinen Sohnes bestraft.

Im August 2014 wurde Noels Vater durch das Landgericht Limburg wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt.

Warum der Vater seinen Sohn schüttelte, konnte in dem Prozess nicht geklärt werden. Die Richterin vermutete, dass er wahrscheinlich mit der Versorgung seiner Kinder überfordert war, dies aber nicht zugeben wollte.

Gegen dieses Urteil legte die Verteidigung Revision ein. Ob der Revision stattgegeben worden ist, konnte nicht ermittelt werden.

Am Rande der Hauptverhandlung wurden auch die Verletzungen von Noels Zwillingsschwester angesprochen. Ende 2013 wurde das kleine Mädchen untersucht und dabei wurden auch bei ihr Verletzungen festgestellt. Wahrscheinlich, so führten die Eltern an, habe sich Noels Schwester die Schädelfraktur und Rippenbrüche in einer Kindertagesstätte zugezogen. Anders könnten sie sich diese nicht erklären. Das Mädchen wurde in einer Pflegefamilie untergebracht. Sodann wurden gesonderte Ermittlungen gegen beide Eltern eingeleitet.

Über den Ausgang der Ermittlungen liegen uns leider keine Informationen vor.