Nicole

Liebes Schutzlos Team,

ich bin durch Zufall auf eure Seite gestoßen und mich berühren die Schicksale dieser Kinder sehr.

Ich bin in schwierigen  Verhältnissen groß geworden. Meine Eltern trennten sich als ich circa 2 Jahre alt war. Meine Mutter hat zu diesem Zeitpunkt schon meinen Stiefvater kennengelernt. Wir zogen relativ schnell mit ihm zusammen. Von Anfang an versuchte er mich und meine ältere Schwester zu erziehen . Er war sehr streng .

Ich weiß nicht ob man sowas schon Misshandlung nennen kann. Wir mussten lange nicht so schlimme Dinge aushalten wie die Kinder, die ihr hier vorstellt. Mein Stiefvater war für uns unberechenbar, wenn ihm etwas nicht passte, hat er uns den Hintern versohlt. Mal mit der Hand, mal mit dem Kochlöffel und dann wieder mit einem Bambusstock. Zu den körperlichen Übergriffen an uns Mädchen kamen noch die psychischen. Wenn zum Beispiel das Zimmer nicht ordentlich war, hat er alles aus den Schränken und Regalen geschmissen und ich musste es sortieren und aufräumen. Hierfür hatte ich eine bestimmtes Zeitvorgabe. Ich war vielleicht vier oder fünf Jahre alt und dieser Berg, der in meinem Zimmer lag, war riesig. Habe ich es nicht geschafft, bekam ich einen Arsch voll. Hatte ich beim Essen nicht beide Hände auf dem Tisch liegen, stach er mir mit voller Wucht mit der Gabel in die Hand, damit ich lernte, zivilisiert zu essen. Kam ich zu spät nach Hause , bekam ich Schläge mit dem Bambusstock auf meinen nackten Hintern.

Einmal habe ich draußen im Hof einen Fußball gefunden und habe diesen behalten. Der Junge, dem dieser Ball gehörte, hat irgendwann bei uns geklingelt und wollte seinen Ball wieder haben. Mein Stiefvater war außer sich, schrie mich immer wieder an , dass ich den Ball geklaut hätte, holte aus und schlug mir mit den Lederball mitten ins Gesicht. Ich hatte Nasenbluten und eine aufgeplatzte Lippe. Ein anderes Mal hatte ich mir vergessen, die Zähne zu putzen und er tauchte mich mit den Kopf im Waschbecken unters Wasser . Ich hatte ein anderes Mal meinen Schlüssel im Hof beim Spielen verloren, diesen musste ich so lange suchen, bis ich ihn gefunden hatte. Es war dunkel und sehr kalt. Gefunden habe ich ihn nicht, durfte dann um 23 Uhr wieder rein, bekam den Hintern versohlt und hatte 6 Wochen Zimmer Arrest. Dieses mal schlug er mit dem Kochlöffel, dieser brach in der Mitte durch. Meine Mutter (die selbst von ihm geschlagen wurde) hat sich nie dazwischen gestellt, ich denke, sie hatte selber Angst vor ihm.

Oft habe ich sie nachts streiten gehört, habe gehört, wie er sie verprügelt hat und ich konnte nichts tun, ich war doch selber nur ein Kind. Irgendwann kam der Alkohol ins Spiel, meine Mama und mein Stiefvater tranken erst nur gelegentlich und dann regelmäßig. Von da an gab es fast täglich Gewalt. Nun fing er an uns zu drohen, wenn wir ihn verlassen, dann springt er vom Balkon, wenn wir jemanden etwas erzählen, dann nimmt er uns Kinder und fährt mit uns gegen den Baum.

Aufgehört hat alles erst, als ich an meinem 18ten Geburtstag ausgezogen bin. Heute bin ich 35 Jahre alt, verheiratet und habe drei Kinder. Ich bin körperlich gesund und habe ein schönes harmonisches Leben. Das einzige, was zurückgeblieben ist, ist Misstrauen Menschen gegenüber.

Wenn ich das hier alles lese, macht es mir bewusst, dass ich mich glücklich schätzen kann, dass mein Stiefvater in seiner Gewalt nicht schlimmer gewesen ist und es andere gibt , die viel schlimmere Sachen erleben mussten.

Eure Arbeit ist wichtig , diese Kinder, die nicht so viel Glück hatten wie ich, dürfen nicht vergessen werden.

LG Nicole