Nadine

Das ist die Geschichte von Nadine aus Gifhorn. Über ihren Fall ist leider sehr wenig bekannt und ihr Leben und Leiden wirft viele Fragen auf. Offiziell starb sie am 15. Januar 2002 mit eineinhalb Jahren, doch es könnte genauso gut sein, dass sie nicht einmal ein Jahr alt werden durfte. Sicher ist, dass Nadine auf einem Familienvideo von Weihnachten 2002 fehlt. Auch gab es an diesem Weihnachtsfest keine Geschenke für Nadine. Daraus lässt sich schließen, dass Nadine zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr am Leben war.

Bekannte oder auch Familienangehörige wurden auf Nachfrage über den Verbleib von Nadine stets abgewimmelt. Es wurde gesagt, Nadine sei im Kinderheim, bei Nachbarn oder im Kindergarten. Niemandem kam dies verdächtig vor.

Nadine lebte vor ihrem Tod mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und wahrscheinlich vier weiteren Geschwistern zusammen. Der Stiefvater hasste Nadine, da sie das Ergebnis eines Seitensprungs ihrer Mutter war. Er ließ Nadine immer spüren, wie unerwünscht sie war und tat ihr und ihrer Mutter oft Gewalt an. Nadine wurde schwer misshandelt. So erschienen auch nach ihrem Tod noch Bilder, auf dem das kleine Mädchen mit Beulen, blauen Flecken und Brandblasen auf den Füßen zu sehen war. Vermutlich hatte sie der Stiefvater auf die heiße Herdplatte gestellt. Desweiteren soll man sie öfters vom Sofa geschubst haben, um sie ruhig zu stellen. All diese Qualen musste Nadine ertragen, ohne sich wehren zu können.

Die Familie wurde auch vom Jugendamt überwacht. Immer wieder gab es Hinweise auf einen möglichen Missbrauch. Immer wieder sagten Nachbarn, man höre die Familie oft streiten. Besonders der Stiefvater soll sich oft mit seinem Vater, dem Großvater von Nadine, gestritten haben. Dieser zeigte seinen Sohn sogar einmal wegen den Misshandlungen an Nadine an, zog diese Anzeige aber später wieder zurück. Kein Mitarbeiter des Jugendamts schaute genauer bei der Familie nach. Bei den seltenen, kurzen Besuchen, stellte sich die Familie selbst als harmonisch und ohne besondere Vorkommnisse dar. Niemand bemerkte Nadines Verschwinden. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass viele Nachbarn gar nichts von Nadines Existenz wussten.

Wie Nadine genau starb ist bis heute unklar. Ihre Eltern behaupteten, sie sei aus dem Hochbett gefallen. Die Obduktion ergab allerdings eindeutige Hinweise auf Misshandlungen. Mehrere ihrer kleinen Knochen waren gebrochen. Es gab auch Ansatzpunkte auf eine starke Unterernährung.

Man kann nur noch ansatzweise aufklären, was an diesem 15. Januar 2002 geschehen ist. Nadine wurde wieder einmal von ihrem Stiefvater so sehr misshandelt, dass sie starb. Irgendwann begann die Leiche von Nadine zu stinken. Ihre Eltern haben sie daraufhin im Wald vergraben und sie dort einsam vor sich hin modern lassen. 2003 bekamen die Eltern eine weitere Tochter und gaben diese einfach als die tote Nadine aus. Diese zweite Tochter meldeten sie bei keinen Behörden oder Ämtern an. Sie wollten die tote Nadine einfach ersetzen. Niemand bemerkte den Betrug. Erst ein paar Jahre später, als die tote Nadine eingeschult werden sollte, fiel auf, dass das kleine Mädchen, welche Nadine ersetzen sollte, nicht Nadine sein konnte, da sie keine sechs Jahre alt war.

Durch den Druck, der sich im Laufe der Jahre bei Nadines Mutter aufgestaut hatte, vertraute sie sich im alkoholisierten Zustand einer Freundin an und erzählte ihr die Geschichte von Nadines Leid und Tod. Diese Freundin alarmierte umgehend die Polizei.

Es wurde eine groß angelegte Suchaktion nach der Leiche von Nadine gestartet, diese blieb jedoch ohne Erfolg. Erst der Großvater von Nadine, der weiterhin an die Unschuld seines Sohnes glaubte, ließ nicht nach und grub den gesamten Waldabschnitt um, in dem Nadine vergraben worden war. Vier Jahre nach Nadines Tod wurde ihr skelettierter Leichnam schließlich gefunden.

Laut Mutter von Nadine soll die Polizei die ganzen Jahre gewusst haben, wo Nadine vergraben war, doch hätten sie immer absichtlich an falschen Stellen gegraben. Erst als man nicht mehr nach ihr suchte, „durfte“ der Großvater die Leiche finden.

Gerichtsurteil:
Der Stiefvater wurde wegen Totschlag und schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen zu acht Jahren Haft verurteilt. Das Gericht war sich sicher, dass er die im Oktober 2000 geborene Nadine vom Sommer 2001 bis Januar 2002 mehrfach geschlagen und misshandelt hatte.

Die Mutter wurde wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen durch Unterlassung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt.

Informationen über ein eventuelles Urteil über das Jugendamt gibt es nicht.

Das Sorgerecht für ihre mittlerweile sechs Kinder wurde den Eltern entzogen. In der Begründung hieß es, mit ihren Verhalten hätten die Eltern einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Elternverantwortung gezeigt. Auch ein Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, dass Nadines Stiefvater nicht erziehungsfähig sei. Der Mutter fehlte zudem die sittliche und geistige Reife, um sich angemessen um die anderen Kinder zu kümmern. Alle Kinder wiesen Spuren von Misshandlung, Vernachlässigung und emotionalen Missbrauch auf. Beiden Eltern fehle auch die Einsicht ihres Fehlverhaltens.