Mustafa, Zilan & Mehmet

Dies ist die Geschichte von drei Geschwistern aus Dortmund. Sie wurden am 03. August 2012 von ihrer Stiefmutter im Schlaf erstochen. Anschließend zündete sie die Bettdecken der Kinder an. Der 4-jährige Mustafa und seine 12-jährige Schwester Zilan waren sofort tot. Der 10-jährige Mehmet konnte lebend aus der brennenden Wohnung geborgen werden, erlag jedoch wenig später im Krankenhaus seinen Verletzungen.

Mustafa, Mehmet und Zilan wuchsen mit ihren Eltern im sauerländischen Werdohl auf. Im Jahr 2009 ereignete sich allerdings ein tragischer Unfall. Die 28-jährige Mutter war mit dem damals 1-jährigen Mustafa allein in der Wohnung. Als sie diese kurz verließ, fiel die Haustür zu. Einen Schlüssel trug sie nicht bei sich. Mustafa schrie und weinte, weshalb die Mutter in Panik geriet. Sie klingelte in der darüber liegenden Wohnung und wollte dort vom Balkon hinabklettern. Der Hausbewohner gab ihr ein dünnes Seil, welches sie absichern sollte. Das Seil riss jedoch. Den Sturz aus dem fünften Stockwerk überlebte die Mutter nicht. Sie starb noch am Unfallort.

Der Vater zog daraufhin mit seinen drei Kindern nach Dortmund. Er hatte Arbeit gefunden als Schweißer und wollte für alle einen Neuanfang.

Im Herbst 2011 lernte er in der Teestube seines Onkels eine 29-jährige Bulgarin kennen. Sie arbeitete dort als Kellnerin. Für den Job war sie eigentlich überqualifiziert, da sie studiert hatte, mehrere Sprachen fließend beherrschte und einen überdurchschnittlichen IQ aufwies. Der Vater begann ein Gespräch mit ihr und bereits kurze Zeit später wurden sie ein Paar.

Seit der neuen Liebesbeziehung ließ der Vater seine drei Kinder tagsüber oft allein Zuhause. Die 12-jährige Zilan hatte dann die Verantwortung für ihre jüngeren Brüder. Für ein Mittagessen mussten sie selbst sorgen, da der Vater oft erst nachts wieder nach Hause zurückkehrte. Nachbarn berichteten zwar, die Kinder seien immer fröhlich gewesen und lachten viel, wenn sie draußen ihre Zeit verbrachten, dennoch meldeten sie mehrmals den Verdacht der Vernachlässigung beim Jugendamt. Oft kümmerte sich auch eine Nachbarin um die Kinder.

Mustafa, Mehmet und Zilan mochten die neue Lebensgefährtin ihres Vaters zunächst und hatten ein sehr gutes Verhältnis zu ihr. Die türkischstämmige Verwandtschaft des 41-jährigen Vaters lehnte sie jedoch aufgrund ihrer bulgarischen Herkunft ab. Das ließen die Großeltern auch die Kinder spüren und stachelten sie regelrecht gegen die neue Stiefmutter auf. Seitdem waren Mustafa, Mehmet und Zilan sehr respektlos ihr gegenüber. Vor allem Zilan hasste ihre Stiefmutter und bezeichnete sie als Prostituierte.

Ohne seine Lebensgefährtin mit einzubeziehen, traf der Vater eine Entscheidung: Mustafa, Mehmet und Zilan sollen für einen längeren Zeitraum, eventuell sogar dauerhaft, zur Großmutter in die Türkei. Weder Schule noch Kindergarten äußerten Einwände gegen diese Entscheidung. Auch die Kinder waren überzeugt davon, dass es ihnen in der Türkei besser ginge. Mehmet hatte schulische Probleme, Zilan war mit der Verantwortung für die jüngeren Geschwister überfordert und das Verhältnis zwischen dem 4-jährigen Mustafa und seinem Vater war angespannt.

Die Freundin des Vaters sah die Kinder als Störfaktoren. Sie wollte trotz des hohen Altersunterschiedes eine eigene Familie mit ihm gründen. Dieser Plan schien allerdings gefährdet durch den Umzug in die Türkei.

Ende 2011 nahm das Jugendamt erstmals Kontakt zur Familie auf, nachdem sie über deren Zuzug informiert wurden. Das Amt organisierte Hilfe für Behördengänge sowie für die Trauerbewältigung aufgrund des tragischen Verlustes der Mutter.

Im Februar 2012 musste der Vater von Mustafa, Mehmet und Zilan eine mehrtägige Haftstrafe antreten. Die Kinder wurden auf seine Anordnung hin bei einer Bekannten untergebracht. Das Jugendamt unterstützte diese Regelung. Wenige Tage später überlegte er es sich jedoch anders und wollte seine drei Kinder in der Türkei bei Verwandten unterbringen. Dem widersprach das Jugendamt mit der Begründung, dass ein Betreuungswechsel in solch kurzen Abständen nicht im Sinne der Kinder sei. Das Jugendamt schränkte daher sein Sorgerecht ein und bestellte eine Ergänzungspflegerin. Sie stand in Kontakt mit Schule und Kindergarten, doch seitens der Einrichtungen wurden keine nennenswerten Probleme gemeldet. Als der Vater aus dem Gefängnis entlassen wurde und seine Kinder wieder nach Hause geholt hatte, stattete die Ergänzungspflegerin der Familie einen Besuch ab. Sie überzeugte sich davon, dass Mustafa, Mehmet und Zilan altersgemäß entwickelt waren und schloss eine Kindeswohlgefährdung aus. Den Umgang des Vaters mit seinen Kindern beschrieb sie als liebevoll. Aufgrunddessen und weil sich der Vater stets kooperativ zeigte, wurde ihm am 29. Februar 2012 das alleinige Sorgerecht übertragen. Noch in der gleichen Nacht geschah der Familie ein weiteres Unglück.

Die Wohnung im dritten Stock stand in Flammen und wurde komplett verwüstet. Der Vater konnte sich und seine drei Kinder glücklicherweise retten und die Feuerwehr alarmieren. Mit dem Verdacht einer Rauchgasvergiftung wurden alle ins Krankenhaus eingeliefert. Die Polizei ermittelte und kam zu dem Ergebnis, dass eins der Kinder vermutlich gezündelt hatte. Diese stritten das jedoch vehement ab. In der Nachbarschaft wurde darüber spekuliert, dass die Lebensgefährtin das Feuer gelegt hatte. Denn die Ausweise der Kinder wurden durch den Brand beschädigt, sodass die Ausreise in die Türkei verschoben werden musste.

Der Vater wurde mit seinen Kindern bei Bekannten aufgenommen, durfte aber kurze Zeit später in die Erdgeschosswohnung des gleichen Hauses ziehen wo der Brand passierte.

Die Lebensgefährtin meldete den Brand dem Jugendamt. Sie machte dort stets einen guten Eindruck, da sie zuverlässig war und besser Deutsch sprechen konnte als der Vater von Mustafa, Mehmet und Zilan. Sie hatte zwar einige Vorstrafen, allerdings nur Bagatellen wie Schwarzfahren und ähnlich kleine Vergehen. Durch den Wohnungsbrand stand das Jugendamt jedoch wieder regelmäßig in beratender Form mit der Familie in Kontakt. Auch der Austausch mit den Schulen und dem Kindergarten wurde aufrecht erhalten.

Im Mai war der letzte Besuch des Jugendamtes. Der Vater berichtete über den geplanten Umzug in die Türkei. Geplant war dieser für den 8. August und die Pässe lagen bereits im Konsulat. Eine weitere Betreuung war für das Jugendamt daher nicht notwendig.

Der Vater verließ am 03. August 2012 gegen 04.00 Uhr die Wohnung. Vor dem Mehrfamilienhaus hatte er sich lautstark mit seiner Freundin gestritten, sodass Nachbarn aufmerksam wurden. Er ging schließlich allein zur Teestube seines Onkels, um sich von diesem das Auto zu leihen. Mit diesem wollte er im türkischen Konsulat die Ausweise der Kinder abholen. Seine Lebensgefährtin ging zurück in die Wohnung wo Mustafa, Mehmet und Zilan indes schliefen.

Die Stiefmutter nahm sich mehrere Messer und ging direkt zu den Kindern. Mustafa, Mehmet und Zilan wurden mit Schlafmittel betäubt. Dann stach sie insgesamt 49 Mal auf die Geschwister ein, zündete ihre Bettdecken an und verließ die Wohnung. Es dauerte nicht lange, bis die Erdgeschosswohnung in Flammen stand. Nachdem die Feuerwehr um 05.00 Uhr gerufen wurde und den Brand löschte, entdeckten sie die Kinder in ihren Betten. Mustafa und seiner Schwester Zilan konnte nicht mehr geholfen werden. Beide Kinder waren bereits tot. Der 10-jährige Mehmet konnte lebend aus der Wohnung geborgen werden. Seine Verletzungen waren jedoch so schwer, dass er kurze Zeit später im Krankenhaus starb.

Nach dem kaltblütigen Mord verließ die Stiefmutter die Wohnung. Sie folgte dem Vater in die Teestube. Die blutenden Wunden an ihren Händen erklärte sie mit einem Überfall im Park, bei dem sie durch ein Messer verletzt wurde. Der Vater glaubte seiner Freundin allerdings nicht und wollte stattdessen Zuhause nach dem Rechten sehen. Zusammen fuhren sie zurück zur Wohnung, die bereits völlig ausgebrannt war.

Der Vater der Kinder wurde vor Ort von einem Seelsorger betreut. Vor dem Mehrfamilienhaus legten viele Trauernden Blumen, Kerzen und Plüschtiere ab. Ein Schild mit der Aufschrift „Warum?“ verdeutlichte die Fassungslosigkeit der Menschen. Im Haus mit den zwei ausgebrannten Wohnungen wollte schließlich niemand mehr wohnen. Es stand nach dem Tod der drei Geschwister leer. Der Vater kehrte mit den Leichnamen seiner Kinder in die Türkei zurück.

Beisetzung
Am 08. August 2012 fand in der alevitischen Gemeinde in Dortmund eine Trauerfeier mit rund 200 Gästen statt. Auch der Oberbürgermeister kam und begrüßte auf türkisch die Trauergemeinde. In seiner Rede sagte er:

„Wir müssen heute mit großer Trauer und Betroffenheit Abschied nehmen von drei fröhlichen und liebenswerten Kindern, die für uns alle unfassbar aus unserer Mitte gerissen worden sind.“
Quelle: Süddeutsche, 10.08.2012

Die Holzsärge von Mustafa, Mehmet und Zilan waren rot abgedeckt und mit roten und weißen Luftballons geschmückt. Auf jedem Sarg saß das Kuscheltier des jeweiligen Kindes. Der Vater legte weinend seinen Kopf auf einen der Särge. Alle Trauergäste hatten Tränen in den Augen und einige Frauen brachend schreiend zusammen.

Mustafa, Mehmet und Zilan fanden ihre letzte Ruhe in der Türkei. Dort wurden sie am 09. August 2012 beerdigt.

Gerichtsurteil
Der Vater galt nicht als tatverdächtig, da mehrere Zeugen aussagten, er habe die Wohnung nach einem Streit verlassen und nur die Lebensgefährtin sei zu den Kindern zurückgekehrt. Fünf Minuten nach ihm sei dann auch die Stiefmutter weggegangen. Nach einer ersten Vernehmung übergab man den Vater in die Obhut seiner Angehörigen.

Die Lebensgefährtin des Vaters geriet schnell ins Visier der Ermittler. Sie hatte Blutspuren der Kinder an ihrer Kleidung sowie Stichverletzungen an den Händen. Sie wurde noch am Tag des Verbrechens verhört und von der Polizei festgenommen. Sie stritt zwar alles ab, doch der Verdacht gegen sie erhärtete sich. Bereits am 4. August wurde sie dem Haftrichter vorgeführt, der einen Haftbefehl erließ wegen dreifachen Mordes und besonders schwerer Brandstiftung. Bis zum Prozess saß sie in Untersuchungshaft.

Die Obduktion von Mustafa, Mehmet und Zilan ergab, dass alle drei Kinder an den Folgen der Stichverletzungen starben und nicht das Feuer die Todesursache war. Die Ermittler nahmen an, dass der Brand nur dazu diente, die Spuren der Gewalttaten zu beseitigen und es wie einen Unfall aussehen zu lassen.

Da die Lebensgefährtin des Vaters alles abstritt und zu den Vorwürfen schwieg, stellte sich die Staatsanwaltschaft auf ein Indizienverfahren ein. Im Prozess schwieg sie weiterhin und machte außer den persönlichen Angaben keine weiteren Aussagen.

„Ihr Ziel war es, die sie störenden Kinder aus dem Weg zu räumen, um mit ihrem Lebensgefährten eine eigene Familie gründen zu können“, hieß es in der Anklageschrift.
Quelle: rtl news, 01.02.2013

An den Verhandlungen nahm sie emotionslos teil und vermied jeden Blickkontakt mit dem Vater der Kinder. Als er sie ansah, zitterten seine Knie.

Ein Brandsachverständiger bestätigte den Verdacht der Brandstiftung durch die Lebensgefährtin. Einen technischen Defekt konnte er ausschließen. Einen Brandbeschleuniger habe sie nicht verwendet, sondern stattdessen die Bettdecken der erstochenen Kinder mit einer offenen Flamme angezündet. Während seiner Vernehmung blieb der Vater der Verhandlung fern, da auf den Fotos des Sachverständigen die Leichen von Mehmet und Zilan deutlich zu erkennen waren. Die Stiefmutter war zwar während den Aussagen anwesend, trat aber nicht vor, um sich die Bilder anzusehen.

Da sie durch den Brand auch den Tod der übrigen sieben schlafenden Bewohner des Mehrfamilienhauses in Kauf genommen hatte, prüfte das Gericht zudem den Vorwurf eines siebenfachen Mordversuchs.

„Diese Tat ist für uns ohne Beispiel“, sagte der Richter. Sie stehe sittlich gesehen auf der untersten Stufe. Die brutale, skrupellose Ausführung und die rücksichtslose Gesinnung der 29-Jährigen erinnerten an die schlimmsten Gräueltaten in Bürgerkriegsgebieten.“
Quelle: Süddeutsche, 09.10.2013

Die Stiefmutter wurde schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt wegen dreifachen Mordes, siebenfachen Mordversuchs und schwerer Brandstiftung. Da die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde, ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren nicht möglich.

Die Lebensgefährtin des Vaters stritt bis zuletzt alle Vorwürfe ab und beteuerte ihre Unschuld. Ihr Verteidiger plante in Revision zu gehen, da er auf Freispruch plädierte. Ob er dies tatsächlich umsetzte und wie das Verfahren ausging, ist uns leider nicht bekannt.