Michael

Das ist die Geschichte von Michael aus Weilerswist bei Bonn (Nordrhein-Westfalen). Da ihn seine Mutter verhungern und verdursten ließ, wurde er nur vier Monate alt. Er starb am 14. Januar 2011.

Michael kam als Frühchen am 11. September 2010 zur Welt. Sein Leben begann einen Monat vor dem errechneten Geburtstermin. Seine 32-jährige Mutter hatte bereits drei Kinder, die jedoch alle einen unterschiedlichen Vater hatten. Von ihrem neuen Ehemann wurde sie mit Michael schwanger. Die Familie lebte gemeinsam in einer Wohnung in Weilerswist in der Voreifel und bekam bis Mai 2009 regelmäßig Kontrollbesuche vom Jugendamt.

Michaels Vater war berufsbedingt nur wenig Zuhause. Er arbeitete als Kraftfahrer und war unter der Woche mit dem LKW unterwegs. Die Mutter war viel auf sich allein gestellt und mit Haushalt und den vier Kindern völlig überfordert. Im Protokoll des Notarztes hieß es, die Wohnung sei in „desolatem Zustand“.

Die Mutter war mit Michael in zwei Kinderarztpraxen für die ersten Vorsorgeuntersuchungen. Beide Ärzte sagten später vor Gericht aus, dass es dem Baby augenscheinlich gut ging.
Im zweiten Lebensmonat musste sich Michael einer Operation an der Magenpforte unterziehen. Er erholte sich jedoch schnell von dem Eingriff.

Es kam dann zu einer zunehmenden Vernachlässigung von Michael. Seine Mutter gab ihm keine oder viel zu wenig Milch. Er hatte eingefallene Augen, sehr viele Falten am Hals und Bauch sowie deutlich hervorstehende Rippen.

Die letzte Vorsorgeuntersuchung ließ sie bei Michael nicht durchführen. Die Mutter gab vor Gericht an, sie habe kein Auto zur Verfügung gehabt und konnte wegen starken Schneefalls auch den Kinderwagen nicht nutzen. Kurz darauf starb Michael. Er verhungerte und verdurstete.

Der Rettungsdienst konnte nur noch den Tod feststellen. Da die Todesursache allerdings nicht geklärt werden konnte, wurde die Polizei alarmiert. Die Obduktion ergab schließlich eine schwere Unterversorgung. Er wog nur noch 4060 Gramm statt 7000 Gramm.

Michaels Vater trennte sich vier Monate nach dem Tod seines Sohnes von seiner Frau und trat als Nebenkläger vor Gericht auf.

Beisetzung:
Wo und wann die Beisetzung des kleinen Michael erfolgte, konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Lediglich ein Bild in einem Pressebericht zeigt ein kleines, liebevoll geschmücktes Kindergrab mit einem weißen Holzkreuz, auf dem Michaels Name sowie sein Geburts- und Todestag steht.

Gerichtsurteil:
Das Euskirchener Amtsgericht musste die Frage klären, ob es möglich war, dass die Mutter tatsächlich nichts von der Unterernährung ihres Sohnes bemerkt hatte oder ob sie wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden sollte.

Ein zu Beginn eingeleitetes Verfahren gegen den Vater wurde eingestellt. Nur die Mutter musste sich vor Gericht wegen fahrlässiger Tötung verantworten.

Die Mutter dementierte vor Gericht, dass Haushalt und Kinder sie überfordert hätten. Außerdem habe sie ihren jüngsten Sohn nicht töten wollen. Michael sei ihr Lieblingskind gewesen und sie habe ihn geliebt. Es sei ihr ein Rätsel, weshalb Michael verdurstet sei und sie wies darauf hin, dass er schon immer dünn war. Einer der Kinderärzte riet der Mutter zu einer Nahrungsumstellung, die bei Michael gut anschlug. Obwohl sie bereits drei ältere Kinder hatte, will sie vom schlechten Gesundheitszustand ihres Babys nichts bemerkt haben. Eine Rechtsmedizinerin widerlegte die Aussage der Mutter, sie habe ihrem Sohn noch am Morgen des 14. Januar eine Flasche Milch gegeben. Die Obduktion ergab, dass Michael am Tag seines Todes nicht gefüttert worden war. Zudem wurde in seinem Magen eine klebrige Masse gefunden, die nicht näher bestimmt werden konnte. Beide Eltern verweigerten hierzu eine Aussage, um was es sich hätte handeln können.

Während des Prozesses vor dem Amtsgericht fehlte eine wichtige Zeugin, die noch geladen werden musste: Die Ex-Frau des Vaters. Sie hatte in der vorletzten Woche, bevor Michael starb, auf das Baby aufgepasst. Sie sagte im Zeugenstand aus, dass ihr nichts aufgefallen sei und alles normal schien. Die Frage des Richters, ob bei der Ernährung etwas schief gegangen sein könnte, bejahte die Frau und gab an, dass dies möglich sei.

Nachdem die Obduktion eine Unterversorgung als Todesursache ergeben hatte, beantragte der Staatsanwalt eine Vertagung ans Bonner Landgericht wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassung und Verletzung der Aufsichtspflicht. Eine Verurteilung würde dann eine höhere Haftstrafe zur Folge haben. Der Mutter drohten 15 Jahre Haft.

Im Juli 2013 wurde nach mehreren Monaten Prozess das Urteil verkündet. Die Mutter wurde der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen und erhielt hierfür neun Monate Haft auf Bewährung. Es gab keine Beweise, dass sie den Tod von Michael herbeiführen wollte, wie das Amtsgericht zu Prozessbeginn vermutet hatte. Stattdessen ging das Gericht von einer Überlastung der Mutter aus. Ihr Mann war selten zu Hause und vier Kinder samt Haushalt seien ihr zuviel gewesen, sodass Michael über einen längeren Zeitraum unzureichend mit Milch versorgt worden war.

Als Gründe für die milde Strafe nannte der Richter, dass die Mutter nicht vorbestraft gewesen sei und den Tod ihres Kindes auf dem Gewissen habe und damit für immer leben müsse. Er habe den Eindruck, dass ihre Trauer echt sei und sich solch ein tragischer Vorfall nicht wiederholen wird.