Lisa-Marie & Hannes

Das ist die Geschichte von zwei Geschwistern aus Heiligenstadt. Der kleine Hannes starb am 02. Mai 2004 im Alter von 18 Monaten. Seine Schwester Lisa-Marie starb am 03. Mai 2004 im Alter von fünf Jahren. Beide wurden von ihrem Vater erstochen.

Hannes und Lisa-Marie lebten mit ihren Eltern und ihrem älteren, sieben Jahre alten Bruder zusammen. Die Kindsmutter hatte aber seit geraumer Zeit ein Verhältnis mit einem anderem Mann. Irgendwann verließ sie ihre Familie und zog zu ihrem Geliebten. Einige Zeit später kehrte sie jedoch zurück, um anschließend wieder ihren Mann und ihre Kinder zurückzulassen. Dies wiederholte sich vier oder fünf Mal.

Dieser Zustand war für den Vater der Kinder unerträglich. Er wollte so einfach nicht mehr weiterleben. Doch wohin mit den Kindern? Auf keinen Fall sollten sie in einem Heim aufwachsen müssen. Also gab er der Mutter die Kinder mit, aber diese wollte ihre Kinder nicht. Als er ihr die Kinder einfach vor ihrer Wohnungstür abstellte, sagte sie nur, er solle die Kinder wieder mitnehmen.

So beschloss er, nicht nur sich selbst zu töten, sondern, aus Sorge um seine Kinder, auch diese mit in dem Tod zu nehmen. Denn was hätte ohne ihm aus den drei Geschwistern werden sollen?

Am Abend des 02. Mai 2004 schluckte der Vater Tabletten und Alkohol und brachte schließlich seine drei Kinder zu Bett. Gegen 22.00 Uhr ging er zu seinem jüngsten Sohn Hannes und erstach ihn mit einem Messerstich in die Brust. Er hielt die Hand seines sterbenden Sohnes und schickte der Kindsmutter eine SMS mit den Worten: „Hannes tot! Hole Lisa und Niklas, damit ihnen nicht noch was passiert!“

Er erhielt keine Antwort von seiner Frau und ging sodann, um 02.00 Uhr, zu seiner Tochter Lisa-Marie und stieß auch ihr ein Messer in die Brust. Lisa-Marie wachte auf und flüsterte ihrem Vater noch zu: „Papa, ich hab dich doch lieb. “ Während seine kleine Tochter verblutete, streichelte ihr Vater sie in den Tod.

Am nächsten Morgen säuberte er die Kinder und legte beide nebeneinander in das Ehebett. Lisa-Marie gab er noch eine Puppe und Hannes ein Stofftier und ein Spielzeugauto in den Arm.

Die Kraft, auch seinen siebenjährigen Sohn zu töten, konnte er nicht mehr aufbringen. Er schickte ihn am Vormittag aus der Wohnung fort zum Spielen.

Nun wollte sich auch der Vater töten, schluckte abermals Tabletten und suchte sich ein Versteck im Wald.

Durch wen letztendlich bekannt wurde, dass Hannes und Lisa-Marie getötet worden waren, darüber gibt es unterschiedliche Pressemeldungen. Unter anderem wird berichtet, dass der älteste Junge seinen Großeltern erzählte, dass sein Vater ihm verboten habe, das Schlafzimmer zu betreten, da dort seine beiden Geschwister getötet worden seien. Die Großeltern informierten daraufhin die Polizei.

Mit großem Polizeieinsatz, Suchhunden und Hubschraubern wurde nach dem Vater gesucht, bis er schließlich am 04. Mai 2004 eingewickelt in einer Kunststoffplane in einem Unterstand aufgefunden worden ist. Sein eigener Selbstmordversuch war gescheitert.

Gerichtsurteil:
Ein Jahr später, im Juni 2005, wurde der Vater von Lisa-Marie und Hannes vom Landgericht Mühlhausen wegen Totschlags zu 13 Jahren und 5 Monaten Haft verurteilt.

Warum der Vater seine Kinder tötete, konnte im Prozess nicht nachvollzogen werden. Jedoch wertete das Gericht die Tat strafmildernd, da der Vater zum Tatzeitpunkt unter dem Einfluss von Alkohol stand und auch im Hinblick auf seine Ausnahmesituation sei seine Steuerungsfähigkeit stark eingeschränkt gewesen. Zudem würde eine Persönlichkeitsstörung vorliegen, welche sich in der enormen Abhängigkeit zur Ehefrau Ausdruck verschafft habe.

Die Verteidigung akzeptierte dieses Urteil. Die Nebenklage hingegen kündigte an Revision einzulegen, da der Vater ohne jeden Zweifel zwei Morde begangen habe. Dieser Revision gab der BGH mit der Begründung statt, dass die Tötung eines Kleinkindes Mord sei, wenn das Kind im Hinblick auf seinen Entwicklungsstand die Gefahr hätte erkennen können. Hannes war erst 18 Monate alt und konnte die Gefahr nicht erkennen. Aus diesem Grund erklärte der BGH die Strafe für die Tötung von Hannes in Form von Totschlag mit einer Freiheitsstrafe von 9 Jahren für rechtskräftig. Bei Lisa-Marie hingegen, so der BGH, müsse das Landgericht Mühlhausen erneut prüfen, ob das Kind in ihrem Alter und gemäß ihres Entwicklungsstandes in der Lage gewesen wäre, die Todesgefahr absehen zu können. Nur dann wäre der Tatbestand des Mordes gegeben. Auch müsse die Frage der verminderten Schuldfähigkeit des Vaters bei der Tötung von Lisa-Marie noch einmal geklärt werden.

Im November 2006 wurde der Vater nun wegen der Tötung seiner Tochter Lisa-Marie wegen Mordes zu einer Haftstrafe von 14 Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Eine Erzieherin von Lisa-Marie hatte bestätigt, dass das Mädchen völlig normal entwickelt gewesen sei. Daraufhin wurde die Tötung an der Fünfjährigen als Mord bewertet. Dennoch kam eine lebenslange Freiheitsstrafe für das Gericht nicht in Frage. Der Vater hätte nach wie vor eingeschränkt schuldfähig gehandelt. Dies bestätigte auch ein Gutachter, welcher zu dem Ergebnis kam, dass der Vater sich zur Tatzeit in einem schweren affektiven Ausnahmezustand befunden haben musste.