Levke & Felix

Dies ist die Geschichte von Levke aus Cuxhaven und Felix aus Neu-Ebersdorf. Beide wurden im Alter von acht Jahren von ein- und demselben Täter zunächst sexuell missbraucht und anschließend getötet- Levke am 06.05.2004, Felix knapp sechs Monate später am 30.10.2004.

Levke wohnte zum Zeitpunkt der Tat mit ihren Eltern und ihren beiden älteren Geschwistern -einem Bruder und einer Schwester- in Cuxhaven-Altenwalde. Sie wurde von ihrer Mutter im späteren Prozess gegen den Täter als lebenslustiges, fröhliches Kind beschrieben. Als Levke am 06.05.2004 gegen 12.30 Uhr mit einer Freundin von der Schule nach Hause kam, wartete sie vor ihrem Elternhaus im Karkweg auf die Rückkehr ihres Vaters, da sie ihren Hausschlüssel in der Schule vergessen hatte. Gewöhnlich war der Vater gegen 12.30 Uhr zuhause, an diesem Tag verspätete er sich jedoch um 20 Minuten. Auch Levkes Mutter war normalerweise zur Mittagszeit zuhause, jedoch schaffte auch sie es an diesem Tag nicht, pünktlich zu sein, da sie in Bremen arbeitete.

Kurze Zeit, nachdem Levke zuhause angekommen war, fuhr der Täter während einer seiner häufigen und ziellosen Spritztouren zufällig am Haus von Levke und ihrer Familie in Cuxhaven-Altenwalde vorbei. Er sah Levke vor dem Haus stehen und lockte sie unter dem Vorwand, ihrer Mutter sei etwas zugestoßen und sie solle mitkommen, in sein Fahrzeug. Die arglose Levke stieg ein.

Als der Vater gegen 12.50 Uhr zuhause ankam, war Levke bereits verschwunden. Seine Frau, die später ebenfalls nach Hause kam, wurde von den beiden älteren Geschwistern mit den Worten „Mami, die Levi ist weg!“ empfangen. Im späteren Prozess umschrieb die Mutter diese Situation mit den Worten „Es war schrecklich, ich kann es nur als Hölle beschreiben“.

Sofort wandte sich die Familie an die Polizei und meldete Levke als vermisst, die Ermittlungen wurden umgehend aufgenommen. Einen Tag nach dem Verschwinden von Levke, am 07.05.2004, wurden aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung in einem Waldstück bei Flögeln, 25 km von Cuxhaven-Altenwalde entfernt, ihre Jacke, ihr Schulranzen und ihr Sportbeutel gefunden. Die daraufhin eingeleiteten polizeilichen Suchmaßnahmen nach Levke mit Suchtrupps, Leichenhunden und Polizeihubschraubern dauerten mehrere Wochen an, jedoch ohne Erfolg. Die Ermittler starten eine Plakat- und Flugblattaktion und setzen eine Belohnung von 5.000 € aus, um etwas über den Verbleib von Levke zu erfahren, dies auch ohne Erfolg. Auch die Suche über die Fernsehsendung „Aktenzeichen xy- ungelöst“ Anfang Juni 2004 brachte den Ermittlern keinen entscheidenden Hinweis über den Verbleib von Levke.

Während all dieser Suchmaßnahmen hoffte die Familie von Levke weiter, dass das Mädchen noch lebend gefunden werden würde. Die Hoffnung schwand mit jedem Tag, den Levke länger vermisst war, Verzweiflung machte sich breit. Insbesondere Levkes Mutter wusste abends nicht mehr, was sie gegessen oder getrunken hatte oder wie sie den Tag verbracht hatte. Ihre Gedanken kreisten immer wieder um dieselbe Frage „Wo ist mein Kind, was muss Levke durchleiden?“.

Zu diesem Zeitpunkt war Levke bereits tot. Nachdem der Täter Levke am 06.05.2004 in sein Auto gelockt hatte, fuhr er mit ihr in ein knapp 30 km entferntes Waldstück. Dort verlangte er von Levke, ihn oral zu befriedigen und versuchte, sie zu vergewaltigen. Levke konnte diesen Übergriffen körperlich nichts entgegensetzen, sie war dem Täter in dieser einsamen Waldgegend hilflos ausgeliefert. Als der Täter mit seinen sexuellen Handlungen fertig war, erdrosselte er das Mädchen mit einem Kabelbinder und verstaute die Leiche im Kofferraum. Die Jacke, den Schulranzen und den Sportbeutel von Levke warf er in der Nähe des Tatortes in den Wald. Mit der getöteten Levke im Kofferraum fuhr er ins ca. 400 km entfernte Attendorn (Landkreis Olpe, Nordrhein-Westfalen) und legte den Leichnam von Levke in einem schwer zugänglichen und dicht bewucherten Teil des Fichtenwaldes „Reper Höhe“ ab. Die umfangreichen polizeilichen Suchmaßnahmen nach Levke liefen währenddessen erfolglos weiter.

Am 23.08.2004, knapp vier Monate nach Levkes Verschwinden, fand ein Pilzsammler in diesem schwer zugängliches Teil des Fichtenwaldes bei Attendorn stark verweste und teilweise skelettierte Leichenteile. Die in der Nähe der Leichenteile gefundenen Kleidungsstücke deuteten darauf hin, dass es sich um die vermisste Levke handelte. Die weitere Untersuchung in der Rechtsmedizin Dortmund sowie eine DNA-Analyse bestätigten die Vermutung der Ermittlungsbehörden: die gefundenen Leichenteilen waren von Levke.

Unmittelbar nach dem Leichenfund wurde um den Fundort herum auf einer Fläche von ca. 10 auf 12 m ein Korridor festgelegt. In diesem Bereich wurden die Äste der Bäume und Sträucher bis auf eine Höhe von 2m abgeschnitten und gesichert, da man vermutete, so brauchbare Spuren des Täters und weitere Teile von Levkes Leiche zu finden. Das gefundene Spurenmaterial, unter anderem Haare, wurde analysiert. Es waren zudem Einsatzhundertschaften der Polizei Bochum im Einsatz. Aufgrund des abgelegenen Fundortes gingen die Ermittlungsbehörden davon aus, dass der Täter sich in diesem dichten Fichtenwald gut auskennen müsse. Analytiker des LKA Hannover werteten Zusammenhänge zwischen dem Wohnort von Levke, dem Fundort ihrer Jacke, ihres Schulranzens und ihres Sportbeutels sowie ihres Leichnams aus. Auch wurden Fragebögen an die Bevölkerung verteilt, um die Beziehung zwischen Cuxhaven -dem Wohnort von Levke- und Attendorn -dem Fundort ihres Leichnams- aufzuklären. Während die Ermittler aus Cuxhaven, Olpe und Hagen jedem noch so kleinen Hinweis nachgingen, um den Mörder von Levke zu finden, war dieser weiterhin auf freiem Fuß und tötete nachweislich mindestens ein weiteres Kind: Felix.

Felix, wohnte zum Tatzeitpunkt mit seiner Mutter, seiner älteren Schwester und dem Lebensgefährten der Mutter in Neu-Ebersdorf. Am 30.10.2004 wollte Felix nachmittags mit seinem BMX-Rad ins benachbarte Hipstedt fahren, um sich dort auf dem Schulhof mit seinem Freund zu treffen. Nach dem Mittagsessen verabschiedete er sich zuhause von seiner Mutter mit den Worten „Tschüss, Mama“. Während diese ihm noch viel Spaß wünschte und ihn wegen des frühen Einbruchs der Dämmerung bat, bis 17 Uhr zurück zu sein, knallte Felix schon die Türe zu, rannte zu seinem Fahrrad und fuhr los. In Hipstedt traf er sich wie verabredet mit seinem Freund und hielt sich mit ihm bis 15.30 Uhr auf dem dortigen Grundschulgelände auf, bevor er sich auf den Heimweg nach Neu-Ebersdorf machte. Auf seinem Heimweg wurde er gegen 16.15 Uhr noch kurz vor einem abgelegenen Parkplatz, der sich hinter dichten Bäumen im Wald befindet, von einem späteren Zeugen gesehen. Als Felix kurz darauf zu diesem Parkplatz kam, wartete der Täter dort in seinem Fahrzeug bereits auf ihn. Unter dem Vorwand, er solle Felix zu seinen Eltern bringen, da sie einen Unfall hatten, lockte er den zunächst argwöhnischen Jungen letztendlich doch noch nach 10 Minuten des Überredens in sein Auto. Das BMX-Rad lud er in den Kofferraum des Fahrzeugs und fuhr mit Felix und dessen Fahrrad davon.

Währenddessen warteten Felix´ Mutter und seine ältere Schwester vergeblich zuhause auf seine Rückkehr. Da der Junge sehr zuverlässig war, wurde seine Schwester bereits um 17.10 Uhr unruhig und fragte die Mutter, wo Felix denn bleibe. Die Mutter beruhigte sie und meinte, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauche und er bestimmt gleich nach Hause kommen werde. Als Felix um 17.30 Uhr noch immer nicht zu Hause war, fuhr seine Mutter zunächst alleine los, um ihn zu suchen. Sie fuhr mehrmals den Weg ab, den Felix von Neu-Ebersdorf nach Hipstedt zuvor mit seinem BMX-Rad gefahren war und fragte verschiedene Leute nach seinem Verbleib. Da niemand weiterhelfen und Felix nicht gefunden werden konnte, rief seine Mutter gegen 19 Uhr die Polizei und bat um Hilfe bei der Suche nach ihrem verschwundenen Jungen. Die Ermittler nahmen das Verschwinden von Felix sehr ernst und leiteten umgehend großangelegte Suchaktionen ein. So wurde nach Felix in den darauffolgenden Tagen und Wochen mit rund 220 Beamten, 80 Spürhunden, 1.900 Feuerwehrleuten, 130 freiwilligen Helfern aus dem Dorf sowie einem Hubschrauber mit Wärmebildkamera gesucht. Es wurden die Wälder und Felder um Neu-Ebersdorf durchkämmt und alle Gräben an den wichtigsten Straßen überprüft. Zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung zum Verbleib von Felix wurden akribisch abgearbeitet, dies alles ohne Erfolg- Felix blieb verschwunden.

Während dieser Zeit des Hoffens und Bangens fragte Felix´ große Schwester häufig die Mutter, wo er denn sei, worauf hin diese die Schwester beruhigen wollte und meinte:

„Er sitzt im Keller, spielt Computerspiele und wird mit Nutella-Brötchen gefüttert“.

Die Mutter selbst ließ den Gedanken nicht zu, dass Felix tot sein könnte. Im späteren Prozess gegen den Mörder ihres Sohnes sagte sie, dass sie anderenfalls keine Kraft gehabt hätte, diese schwere Zeit durchzustehen. Jeden Tag stellte sie vier Teller hin, von einem wurde nie gegessen. Während die Ermittler zuhause bei der Familie von Felix waren und versuchten, dessen Verschwinden aufzuklären, verhielt sich der Lebensgefährte der Mutter sonderbar- er sprach kaum und ging den Beamten zunehmend aus dem Weg. Felix´ Mutter hatte aufgrund dieses Verhaltens ein komisches Gefühl und bat die Ermittler, den Computer zu beschlagnahmen und die darauf befindlichen Daten auszuwerten. Die Beamten nahmen den Rechner mit und ließen ihn von Kriminaltechnikern auswerten. Im Rahmen der Auswertung wurden zahlreiche gelöschte Dateien und Chatverläufe wiederhergestellt, es wurde kinder- und tierpornografisches Material gefunden. In diversen Pädophilen-Chats hatte der Lebensgefährte Felix und seine Schwester genau beschrieben. Mit diesen Beweisen konfrontiert, gab der Lebensgefährte an, er habe nur bei der Suche von Felix helfen und sich in der Szene umhören wollen. Da die gefundenen Daten jedoch bereits vom August 2004 waren und Felix erst Ende Oktober 2004 verschwand, konnte dies widerlegt werden. Felix´ Mutter warf den Lebensgefährten daraufhin Anfang Dezember 2004 aus dem Haus, er musste sich in einem späteren Prozess für diese Taten strafrechtlich verantworten. Mit dem Verschwinden von Felix hatte er nichts zu tun.

Während die Ermittler weiter nach Felix suchten, war dieser bereits tot. Nachdem der Täter Felix am 30.10.2004 auf dem Nachhauseweg von Hipstedt nach Neu-Ebersdorf in sein Fahrzeug gelockt hatte, fuhr er mit dem Jungen -wie bereits mit Levke- in ein abgelegenes Waldstück. Dort wartete er den Einbruch der Dämmerung ab, ehe er sich zunächst an Felix verging, um ihn später mit bloßen Händen zu erwürgen. Die Leiche von Felix verstaute er nach der Tat im Kofferraum. Im Anschluss daran fuhr er wieder in die Region Attendorn/Olpe, wie bereits Monate zuvor mit Levke. Im Biggesee, einem ca. 20 km langen künstlichen Stausee, entsorgte er das BMX-Rad von Felix. Seinen Leichnam holte er ebenfalls aus dem Kofferraum, um ihn im Biggesee zu entsorgen. Aus unbekannten Gründen entschied sich der Täter jedoch um, lud Felix´ Leichnam wieder ein und fuhr in seine Wohnung nach Bremerhaven. Den toten Felix ließ er insgesamt 3 Tage in seinem Kofferraum, bevor er dessen mittlerweile in Bettlaken und Müllsäcke gewickelte und verschnürte Leiche bei Schiffdorf-Bramel (Landkreis Cuxhaven) entsorgte. Der Täter wollte Felix zuerst vergraben. Da an der gewählten Stelle jedoch zu viele Wurzeln waren, entschied er sich um und warf den mittlerweile mit 25kg-Steinen beschwerten Leichnam von Felix in den nahegelegenen Fluss Geeste.

Die Ermittler in Cuxhaven suchten währenddessen weiter mit Hochdruck nach dem Mörder von Levke. Es wurden Zeugen gesucht, in deren Umfeld es Personen gab, die sowohl einen Bezug zu Cuxhaven, als auch zu Attendorn hatten. Im November 2004 wurde in der Sendung „Aktenzeichen xy- ungelöst“ das Phantombild eines Mannes ausgestrahlt, der sich am Tag des Verschwindens von Levke in der Nähe ihres Schulhofes in seinem parkenden Auto mit Siegburger Kennzeichen aufhielt und die Kinder auf dem Schulhof beobachtete. Aus dem Umfeld des Täters ging nach diesen Suchmaßnahmen Anfang Dezember 2004 ein entscheidender Hinweis ein: ein Zeuge kannte einen 31-jährigen, arbeitslosen Installateur, der Vater von zwei Mädchen war, in Plettenberg bei Attendorn geboren wurde und 5 Tage vor dem Mord an Levke und nach der Trennung von seiner Frau nach Bremerhaven gezogen war. Am 08.12.2004 wurde dieser Mann aufgrund dieses Zeugenhinweises von den Ermittlern festgenommen. Eine freiwillig abgegebene Speichelprobe des Mannes passte zu den auf Levkes Sachen gesicherten DNA-Strukturen, weshalb sein vorgegebenes Alibi wiederlegt werden konnte. Mit diesen Beweisen konfrontiert, legte er ein umfassendes Geständnis über den sexuellen Missbrauch und die anschließende Tötung von Levke ab.

Das zuständige Amtsgericht erließ daraufhin einen Haftbefehl gegen den Mann wegen Mordes und schweren sexuellen Missbrauchs, er kam in Untersuchungshaft.

Im Zuge der weiteren Ermittlungen fanden die Beamten heraus, dass der Täter wegen versuchter Vergewaltigung einer Anhalterin bereits 1994 zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden war. Weiter hatte er im Jahr 2000 eine damals 17-Jährige in sein Auto gelockt und sie gefesselt, dieses Verfahren war jedoch eingestellt worden. Der Täter -ein Einzelkind- war nicht gerade privilegiert gewesen, beispielsweise war er dick gewesen, hatte X-Beine sowie nur einen Hoden gehabt und stotterte. Er war von seiner Mutter überbehütet worden und hatte wenig in seinem bisherigen Leben auf die Reihe bekommen. Bereits in seiner Jugend war er ein Waffennarr gewesen und hatte Tiere aus purer Freude gequält.

Bei einem Treffen zwischen Vertretern der Staatsanwaltschaft Stade und den Verteidigern des Täters am 07.01.2005 gab einer der Verteidiger an, der Täter habe ihm gegenüber den Mord an Felix eingeräumt und den Ort benannt, an welchem er die Leiche entsorgt habe: in der Geeste.

Aufgrund der genauen Beschreibung der Stelle konnte der Leichnam von Felix auf dem Grund des knapp 4m tiefen Flusses von Polizeitauchern gefunden werden. Hinter einer Leitplanke neben einer Brücke am Fluss wurden die Schuhe von Felix und ein Spaten gefunden. Mit diesem hatte der Täter zuvor vergeblich versucht, Felix´ Leichnam zu vergraben. Eine nachfolgende rechtsmedizinische Untersuchung des Leichnams sowie eine DNA-Analyse betätigten die Identität von Felix.

Da der Täter gegenüber einem Mithäftling während seiner Untersuchungshaft mit sechs weiteren Morden an Kindern und Frauen geprahlt hatte, erstellte die Polizei u.a. ein Bewegungsprofil des Täters seit seinem 18. Geburtstag, um herauszufinden, wo er sich überall aufgehalten hatte. Dieses Profil wurde mit den ungeklärten Vermisstenfällen und Tötungsdelikten in diesen Gegenden abgeglichen. Eine weitere Tat konnte dem Täter jedoch bis heute nicht nachgewiesen werden.
Am 24.03.2005 erhob sie Staatsanwaltschaft Stade Anklage wegen schweren sexuellen Missbrauchs und Mordes in zwei Fällen. Der am 09.05.2005 eröffnete Prozess fand vor dem Landgericht Stade statt, es waren zunächst 7 Verhandlungstage angesetzt. Sowohl die Eltern von Levke als auch die Mutter von Felix traten als Nebenläger auf.

Im Rahmen des Prozesses ließ der Angeklagte über seine Verteidiger eine Erklärung verlesen, in welcher er den sexuellen Missbrauch und anschließenden Mord an Levke und Felix einräumte, um psychologische Behandlung bat und vorgab, mit Entsetzen zu den vorgeworfenen Taten zu stehen. Das Motiv für den sexuellen Missbrauch und die anschließende Tötung von Levke sei ein vorangegangener Streit mit seiner Ehefrau gewesen, er habe sich abreagieren wollen und Levke habe lediglich als Ersatzobjekt gedient.

Der ohnehin sehr emotionale Prozess wurde noch emotionaler, als die Mutter von Levke in den Zeugenstand gerufen wurde und aussagte. Sie berichtete u.a. von den Folgen, die die Tat mit sich brachte. Sie beschrieb die Situation treffend mit den Worten:

„Die Familie ist wie ein Mobile, das Gleichgewicht ist jetzt total kaputt“.

Weiter sagte sie aus, dass ihre Familie jeden Tag an Kleinigkeiten den Verlust von Levke merke, z.B. läge ihr Hula-Hopp-Reifen nicht mehr im Garten. Der Bruder von Levke gehe bei Dunkelheit nicht mehr nach draußen, die Schwester verlasse das Haus nicht ohne Schlüssel. Wenn die Mutter im Baumarkt Kabelbinder sehe, habe sie das Bild vor Augen, wie der Täter einen Kabelbinder um Levkes Hals lege und zuzöge. Das ganze Leben sei seit der Tat von Angst beherrscht. Levkes Mutter brachte zum Prozess zwei Collagen der beiden Geschwister mit. Die eine war bunt und beschrieb Levke zu Lebzeiten als „Freundin, Spielgefährtin, Verbündete“, die andere war dunkel, sie erzählte von „Trauer“, „Kälte“ und „Verlust“ nach der Tat. Levkes Mutter beendete ihre Vernehmung mit den Worten, dass es für den Mörder ihrer Tochter keine gerechte Strafe gebe, da er weiterlebe und ihre Tochter tot sei.

Die Mutter von Felix ließ sich während des Prozesses anwaltlich vertreten, sie selbst war nicht im Gerichtssaal anwesend, da sie nach eigenen Angaben die persönliche Anwesenheit des Angeklagten nicht ertragen könne und der Schmerz über den Verlust ihres Sohnes zu groß sei.
Der im Prozess gehörte psychiatrische Gutachter kam in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass der Täter voll schuldfähig sei, da zum jeweiligen Tatzeitpunkt weder die Einsichts- noch die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sei. Dies sei daran erkennbar gewesen, dass der Täter nach dem Missbrauch von Levke mit ihr durch die Gegend fuhr, als seine Frau anrief und fragte, wo er solange bleibe. Er wimmelte sie ab und erklärte, dass er länger arbeiten müsse, dann tötete er Levke. Er habe keinerlei Mitgefühl mit seinen Opfern gehabt, auch sei er weder sadistisch noch pädophil veranlagt. Er habe die beiden Kinder gewählt, weil sie leichte Opfer waren.

Nachdem die Beweisaufnahme geschlossen wurde, beantragte die Staatsanwaltschaft wegen der vom Angeklagten begangenen Taten lebenslange Freiheitsstrafe, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld sowie die Anordnung der Sicherungsverwahrung.

Die Verteidiger des Angeklagten plädierten dahingehend, dass ihr Mandant schwer krank, schuldunfähig und behandlungsbedürftig und deshalb in die geschlossene Psychiatrie einzuweisen sei.

Am 29.06.2005 verkündete das Landgericht Stade nach einer umfangreichen Beweisaufnahme und Beratung in einem sehr emotionalen Prozess das Urteil gegen den Angeklagten: Er wurde wegen Entziehung Minderjähriger, Freiheitsberaubung mit Todesfolge, schwerer sexueller Nötigung und Mordes in zwei Fällen schuldig gesprochen. Er erhielt eine lebenslange Freiheitsstrafe, die besondere Schwere der Schuld wurde festgestellt, die Sicherungsverwahrung angeordnet. Den Eltern als Erben von Levke und Felix sprach das Gericht nach dem Opferanspruchssicherungsgesetz jeweils 10.000 € Schmerzensgeld wegen der erlittenen gesundheitlichen Schäden, welche zum Urteilszeitpunkt noch längst nicht behoben waren, zu.

Der vorsitzende Richter wandte sich im Anschluss an die Urteilsbegründung den Eltern von Levke und Felix mit den Worten zu:

„Ich wünsche Ihnen Kraft, Mut und Hoffnung für Ihren weiteren Lebensweg. Wir werden Levke und Felix nicht aus den Augen verlieren.“

An den Verurteilten wandte er sich mit den Worten

„Auch wenn Sie anderen unvorstellbares Leid zugefügt haben und dafür die Höchststrafe bekommen haben, sieht unser Rechtssystem vor, dass Sie menschenwürdig behandelt werden. Ich wünsche Ihnen für Ihren Lebensweg, dass Sie die vorgegebenen Rahmenbedingungen ertragen können.“

Die Verteidigung des Angeklagten legte gegen dieses Urteil Revision ein, welche vom Bundesgerichtshof jedoch im Januar 2006 verworfen wurde, das Urteil des Landgerichts Stade ist somit rechtskräftig.

Beisetzung:
Die Trauerfeier von Levke fand am 05. September 2004 in Cuxhaven statt. Die Familie von Levke verteilte Sonnenblumenkerne von einer von Levke gepflanzten Sonnenblume an die rund 400 Trauergäste. Die neu wachsenden Sonnenblumen sollten an Levke erinnern.

Felix wurde am 14. Januar 2005 in Hipstedt beerdigt, zu seiner Trauerfeier lagen uns leider keine weiteren Hinweise vor. Seine Mutter war seit seiner Beerdigung nicht an dessen Grab, zu tief sitzt der Schmerz bis heute. Die Dorfgemeinschaft von Neu-Ebersdorf pflegt das Grab des Jungen.

Die Mutter von Felix kam zunächst immer schwerer mit der gesamten Situation zurecht: erst war es die Ungewissheit über den Verbleib von Felix, dann die Gewissheit, dass sie ihren Jungen nie wieder lebend sehen werde. Bereits kurze Zeit nach dem Verschwinden von Felix hatte sie u.a. Suizidgedanken und musste noch Jahre nach der Tat psychiatrisch behandelt werden. In der Zeit nach dem Mord an Felix fing sie an, ein Buch zur Verarbeitung ihres Traumas zu schreiben- „und trotzdem lebe ich weiter- mein Leben ohne Felix“. Neben der Schilderung der Geschehnisse und des darauffolgenden Leidensweges prangert sie in ihrem Buch unter anderem an, dass in Deutschland die Täter rehabilitiert werden, die Opfer und deren Angehörige jedoch nicht. Die Filmrechte an diesem Buch wurden von Felix´ Mutter verkauft, 2010 strahlte die ARD den Film „Haltet die Welt an“ aus. Felix´ Mutter wollte damit ein Zeichen setzen: sie wollte, dass die Bevölkerung wachgerüttelt wird und nicht mehr wegsieht, wenn Kinder von Fremden angesprochen werden.

Die Schwester von Felix lebt seit den Geschehnissen bei ihrem Vater, da die Mutter sich nicht mehr in der Lage sah, sich angemessen um sie zu kümmern. Felix´ Mutter beschrieb ihre Situation einmal so:

„Mein Leben wird niemals wieder normal, die ganze Lebensplanung ist außer Kraft gesetzt“