Lea

Das ist die Geschichte von Lea aus dem oberpfälzischen Tirschenreuth. Das kleine Mädchen wurde nur zwei Jahre alt. Sie starb am 27. März 2010 an den Folgen von Nahrungs- und Flüssigkeitsmangel und diversen Krankheitsfolgen.

Lea, ihre Mutter und ihr älterer Bruder lebten gemeinsam in einem Haus in der 9000-Einwohner-Stadt Tischenreuth. Die Eltern von Lea hatten sich getrennt, aber der Vater pflegte beständigen Kontakt zu seinen beiden Kindern.

Die 21-jährige Frau war jedoch mit der alleinigen Betreuung von Lea und ihrem Bruder heillos überfordert. Anstatt sich um die Versorgung ihrer Kinder zu kümmern, spielte und chattete sie stundenlang im Internet. Vorsorgeuntersuchungen ließ sie, ohne tätig zu werden, verstreichen. Das Untersuchungsheft ihres Sohnes fälschte sie, damit dieser einen Kindergarten besuchen konnte. Der Opa ihrer Kinder kam des öfteren und kümmerte sich um seine Enkel, während sie im Chat mit Bekannten kommunizierte und sich von Beruf „Mutter“ nannte.

Mit dem Vater ihrer Kinder stritt sie nebenbei um Unterhalt. Ihr neuer Freund hatte sie betrogen und musste auch noch hinsichtlich eines Vergehens ins Gefängnis.

Vielleicht führte auch dies dazu, dass Lea so gut wie gar nicht mehr von ihrer Mutter versorgt wurde. Das kleine Mädchen magerte zunehmend ab, wurde krank, litt unter anderem an einer Hirnhautentzündung. Einen Arzt suchte die Mutter dennoch nicht auf.

Im Oktober 2009 wandte sich eine Anwohnerin sorgenvoll an das Jugendamt. Ihr sei aufgefallen, dass Lea oft schreien würde und sie auch die Kinder kaum noch draußen sehen würde. Zudem würde sich der Opa immer mehr um die Kinder kümmern.

Die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes sah in diesen Schilderungen keine akute Kindeswohlgefährdung. Ein Hausbesuch fand daher nicht statt und irgendwann wurde der Meldung nicht mehr nachgegangen.

Am 27. März 2010 verständigte Leas Mutter den Notarzt. Dieser fand das zweijährige Mädchen tot in ihrem Kinderbettchen auf.

Doch kaum, dass ihre kleine Tochter fortgebracht worden war, setzte sich die Mutter eine Stunde später wieder an ihren Computer und ging online.

Die anschließende Obduktion an Lea ergab, dass sie an einer unbehandelten Lungenentzündung litt, welche schließlich zu ihrem Tod geführt hatte. Lea hätte sich in einem erschreckenden Zustand befunden. Sie war ausgetrocknet und wog nur noch 8,2 Kilo. In ihrem Alter wären etwa 14 Kilo normal gewesen.

Am 30. März 2010 wurde die Mutter in Untersuchungshaft genommen. Der Vorwurf lautete Totschlag durch Unterlassen. Der Staatsanwalt begründete dies damit, dass Lea in Folge einer Krankheit nicht mehr in der Lage gewesen sei ausreichend Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Ihre Mutter habe dies zwar erkannt, aber einfach zugesehen und gedacht „wenn sie stirbt, ist´s mir auch egal“. Wäre Lea rechtzeitig behandelt worden, hätte sie gerettet werden können.

Leas Bruder wurde in die Obhut des Vaters übergeben.

Beisetzung:
Die kleine Lea wurde am 31. März 2010 in aller Stille, auf dem Friedhof in Tirschenreuth beigesetzt. Auf ihrem Grab wurde nur ein Kranz niedergelegt. Auf dem schlichten Holzkreuz stand weder ihr Name noch ihr Todestag. Nichts, das hätte darauf schließen lassen, dass hier Lea ihre letzte Ruhe gefunden hatte.

Gerichtsurteil:
Im September 2009 endete vor dem Landgericht Weiden der Prozess um den Tod von Lea.

Die Staatsanwaltschaft warf der Mutter vor, sie habe ihre Tochter über Tage hinweg nur unzureichend mit Essen und Trinken versorgt und ihr noch nicht einmal die Windel gewechselt.

Beinahe zweieinhalb Jahre hatte die Mutter keinen Arzt mit ihrer Tochter aufgesucht. Durch die Verwehrung medizinischer Versorgung sei die Verwahrlosung von Lea noch verstärkt worden. Mit Sicherheit könne man aber der Mutter nicht die Schuld am Tod ihrer Tochter gegeben.

Die Verteidigung plädierte darauf, die Mutter nur wegen eines minderschweren Vergehens zu verurteilen. Sie habe nicht aus Böswilligkeit gehandelt. Zudem sei weder dem Großvater noch dem Vater die Mangelernährung aufgefallen.

Im letzten Wort zum Prozessende sagte die Mutter, dass ihr der Tod von Lea leid täte.

Das Gericht verurteilte die Mutter schließlich wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen, Verletzung der Fürsorgepflicht und gefährlicher Körperverletzung zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis.

Zehn Tage, nachdem das Urteil verkündet worden war, stellte die Staatsanwaltschaft alle Ermittlungen gegen das Jugendamt ein. Dieses hatte zwar Fehler zugegeben, jedoch waren die Vorwürfe rechtlich gesehen nicht haltbar.

Seitens des Jugendamtes habe es auch keine Anhaltspunkte gegeben, dass die Mutter mit der Versorgung ihrer Kinder überlastet gewesen sei und im Kontakt mit dem Vater, der noch zwei Wochen vor Leas Tod stattgefunden habe, hätte es keine Hinweise für eine Kindeswohlgefährdung gegeben.