Klara

Diese Geschichte erzählt von Klara, einem vierjährigen Mädchen, die von ihrer Mutter am 20. April 2012 mit einem Kissen erstickt wurde.

Ende 2011 bezogen Klara und ihre Mutter in Erkner, im Landkreis Oder-Spree, in einem dreigeschossigen Wohnhaus eine eineinhalb-Zimmer-Wohnung. Klaras Eltern hatten sich schon lange Zeit vorher getrennt. Ihr neuer Lebensgefährte kam öfter auf Besuch in die neue Wohnung.

Dennoch fanden stets von den Großeltern väterlicherseits Bemühungen statt, den Kontakt mit ihrer Enkeltochter Klara aufrecht zu erhalten. Den Großeltern war schnell aufgefallen, dass mit Klaras Mutter etwas nicht in Ordnung sein konnte. Ihr sprunghaftes Leben, ihre Launen und ihre geistige Abwesenheit. Auch das Drogen- und Alkoholproblem blieb ihnen nicht verborgen. Sie hatten den Eindruck, dass Klaras Mutter nicht wusste, wohin im Leben.

Aus diesem Grund nahmen sich die Großeltern ebenfalls in Erkner eine Wohnung, um in der Nähe von Klara sein zu können. Der Großvater gab seinen Job auf, um für seine Enkelin da zu sein.

Die Mutter war zwar bereits in den vorangegangenen Jahren in das Blickfeld der Behörden geraten, diese sahen jedoch keine Gefährdung von Klara. Der Umstand, dass die Mutter ihren Wohnort ständig wechselte, Termine mit den Behörden nicht einhielt, gestaltete eine Betreuung ohnehin schwierig.

Allerdings lebte Klara dann doch im Jahr 2008 und 2010 mit ihrer Mutter zeitweilig bei ihren Großeltern, worüber auch das damals zuständige Jugendamt informiert war.

Am 20. März 2012 kurz nach dem Umzug nach Erkner kontaktierte der Opa das dort zuständige Jugendamt, um dieses von dem Umzug seiner ehemaligen Schwiegertochter und seiner Enkelin zu informieren. Laut Jugendamt habe sich der Großvater Hilfe betreffend Umgang mit seiner Enkeltochter erbeten.

Sechs Tage später versuchte eine Sozialarbeiterin Klara und ihre Mutter bei einem unangekündigten Besuch anzutreffen. Sie stand jedoch vor verschlossener Tür. Sodann informierte sie die Mutter schriftlich über einen Termin, welcher am 19. April 2012 stattfinden sollte. Wenige Minuten vor dem besagten Termin teilte die Mutter telefonisch mit, dass sie diesen nicht einhalten könne und bat um Rückruf, zwecks Absprache eines neuen Termins. Die Sozialarbeiterin, welche die Nachricht hörte, versuchte umgehend die Mutter zurückzurufen, jedoch erfolglos.

An diesem Tag holte die Mutter zusammen mit ihrem Lebensgefährten ihre Tochter aus dem Kindergarten ab. Sie verbrachten den Nachmittag mit Einkaufen und Eis essen. Am Abend kehrten sie zurück in die Wohnung. Klara wurde zu Bett gebracht und auch der Lebensgefährte legte sich schlafen. Klaras Mutter telefonierte noch bis spät abends mit ihrer Familie.

Am nächsten Tag versuchte die Sozialarbeiterin eine erneute Kontaktaufnahme ohne zu ahnen, dass Klara bereits nicht mehr am Leben war.

An dem besagten Morgen, dem 20. April 2012, wollte der Lebensgefährte seine Eltern besuchen. Klaras Mutter war hierüber sehr enttäuscht, denn eigentlich wollte sie mit Klara mitfahren, aber ihr Lebensgefährte wollte dies nicht.

Schon in den vergangen drei Wochen befand sich Klaras Mutter in keinem guten Zustand. Sie wollte nicht mehr ihre Wohnung verlassen und wenn sie es doch tun musste, dann nahm sie Baldriantropfen ein oder rauchte Marihuana. Sie hatte immer das Gefühl von ihren Mitmenschen beobachtet zu werden, geriet zunehmend unter Druck und fühlte sich verfolgt.

Da sie nun allein mit ihrer Tochter war, da ihr Lebensgefährte die Wohnung verlassen hatte, überlegte sie mit Klara einen Ausflug zu unternehmen. Sie meldete Klara deshalb auch vom KiTa Besuch an diesem Tag ab. Doch in den darauffolgenden Stunden schaffte es die Mutter einfach nicht, den Ausflug vorzubereiten und verschob diesen immer weiter in den Tag hinein. Wieder machte sie sich Gedanken, was nun die Leute von ihr denken würden, weil sie ihre Tochter nicht in die KiTa gebracht hatte. Also versuchte sie sich mit vier Flaschen Bier und Rotwein zu beruhigen. Sie schaute mit Klara, die immer noch ihren Schlafanzug an hatte, fern. Ihre Stimmung verschlechterte sich, trotz Alkohol konnte sie sich nicht überwinden, die Wohnung zu verlassen. Als es Mittag war, bereitete sie für Klara Essen zu und legte sie  gegen 12.30 Uhr zum Mittagsschlaf ins Bett.

Während Klara in ihrem Bett schlief, verfiel ihre Mutter immer mehr in Depressionen und sah keine Perspektive mehr für sich. Sie wollte sich selbst das Leben nehmen, ihre kleine Tochter aber auf keinen Fall alleine zurücklassen, aus Angst, niemand könnte sie beschützen.

Also holte sie gegen Nachmittag ein Kissen und ging damit in das Kinderzimmer. Klara lag in ihrem Bett auf dem Rücken und schlief noch, als die Mutter ihr das Kissen mit beiden Händen auf das Gesicht drückte. Klara verstarb innerhalb von wenigen Minuten.

Dann telefonierte sie mit ihrer Mutter. Diese bemerkte, dass irgend etwas nicht stimmen konnte.

Im Anschluss an das Telefonat unternahm Klaras Mutter mehrere Selbsttötungsversuche, welche alle scheiterten. Danach fand sie nicht mehr die Kraft, zunehmend durch ihre geistige Verwirrung, ihrem Leben wie geplant ein Ende zu setzen.

Am Vormittag des 21. April 2012 rief die Oma von Klara ihre Tochter an, da ihr beim Telefonat am Vortag das Unwohlsein ihrer Tochter aufgefallen war. Sie wollte sich einfach noch einmal nach ihrem Befinden erkundigen. Klaras Mutter war immer noch völlig verwirrt und auf Nachfrage ihrer Mutter, wo denn Klara sei, sagte sie, dass Klara nicht mehr da sei.

Letztlich war es die Oma, die die Polizei anrief und zur Wohnung von Klara und ihrer Mutter gerufen hatte. Die eintreffenden Beamten fanden die Leiche von Klara.

Den Beamten zeigte sich die Mutter in einem verwirrten und nicht vernehmungsfähigen Zustand. Sodann wurde sie in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Bei der entnommenen Blutprobe konnte kein Alkohol oder die Einnahme von Drogen nachgewiesen werden.

Im Juli 2012 wurde die Mutter in eine andere Klinik verlegt und dort auf einer Station auf der Männer sowie Frauen betreut werden behandelt. Sie wurde darauf hingewiesen, dass es notwendig sei, an Verhütung zu denken und das in ihrer derzeitigen Verfassung von einer erneuten Schwangerschaft abzuraten sei. Kaum drei Monate später hielt die Mutter einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand. Durch diesen Umstand wurde die Mutter isoliert untergebracht, um weitere Kontakte zu anderen männlichen Patienten zu unterbinden. Die Schwangerschaft endete dann aber durch einen natürlichen Abgang.

Im Laufe der Zeit verbesserte sich der Zustand durch die Einnahme von Medikamenten. Ihre Psychose bestand jedoch weiterhin und ist durch kurzfristige Behandlung nicht zu heilen.

Der Mutter ist ihre Tat anscheinend  durchaus bewusst, kann diese aber nicht wirklich erfassen und hat den Tod von Klara noch mit keinem Wort betrauert. Stattdessen ist in ihr der wahnhafte Wunsch aufgekommen, wieder schwanger zu werden. Sie ist der Meinung, dass nur ein neues Kind die bestehende Lücke in ihrem Leben schließen könne.

Nach Klaras Tod gaben die Großeltern indirekt auch dem Jugendamt eine Mitschuld am Tod ihrer Enkeltochter. Das Jugendamt wies alle Kritik zurück und machte wiederum den Großeltern Vorwürfe, weil diese angeblich die Behörden nicht eindringlich genug über die Problematik informiert hatten.

Laut Jugendamt lagen weder von der KiTa, welche Klara besucht hatte noch von Nachbarn oder anderen Verwandten irgendwelche Anhaltspunkte vor, die darauf hätten schließen lassen, dass das Leben von Klara gefährdet gewesen war. Auch von den vorher zuständigen Jugendämtern hätten keine Hinweise vorgelegen.

Dennoch kamen einige Fragen auf. Als Klara geboren wurde, war die Mutter noch minderjährig. Wer zu diesem Zeitpunkt das Sorgerecht für Klara erhalten hatte, konnte nicht geklärt werden. Ebenfalls war dem Jugendamt der Wohnsitz des leiblichen Vaters von Klara unbekannt. Auch erfuhr das Jugendamt nur durch den Umzug nach Erkner, weil die Großeltern die Behörden telefonisch darüber informierten.

Gerichtsurteil:
In einem Verfahren wurde festgestellt, dass Klaras Mutter aufgrund ihrer seelischen Störung schuldunfähig ist.

Im Januar 2013 wurde die Unterbringung der Mutter in einem psychiatrischen Krankenhaus gerichtlich angeordnet. Ihre Tat habe sie immer noch nicht verstanden und zudem bestünde Gefahr, dass durch ihren Wunsch, erneut schwanger zu werden für dieses zukünftige Kind Todesgefahr besteht.