„Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen.“
Afrikanisches Sprichwort
Oft fragt man sich angesichts solcher Verbrechen, ob nicht irgendjemand etwas hätte tun können. Oft steht dahinter auch die Suche nach einem Verantwortlichen, weil es unfassbar scheint, dass Täter/Innen mitten unter uns leben, Kinder mitten unter uns leiden.
Das Du hier bist und Dich mit der Gedenkseite beschäftigst ist der erste Schritt der Hilfe.
Vernachlässigung, Missbrauch und Misshandlung kommt in allen Milieus unserer Gesellschaft vor, dabei ist es unerheblich, ob man sich auf dem Land oder in der Stadt befindet. Sogar im eigenen familiären Umfeld oder Freundeskreis lassen sich Formen von Kindesmisshandlung finden. Sie sind nicht abhängig von Bildungsstand, Wohnsituation, Alter oder Geschlecht. Daher ist es gut möglich, dass Dir Fälle begegnen werden oder schon begegnet sind.
Auf dieser Gedenkseite werden die Lebensgeschichten und die Sterbensgeschichten all jener Kinder gesammelt, die durch die extremste Form der Misshandlung, des Missbrauches, der Vernachlässigung, durch Mord oder fahrlässige Tötung zu Schaden und zu Tode gekommen sind.
Aus den Geschichten der Kinder wird deutlich, dass es so gut wie immer eindeutige Hinweise auf die Situation dieser Kinder gab. Diese Hinweise wurden möglicherweise nicht ernst genommen oder fehlinterpretiert, so dass für diese Kinder jede Hilfe zu spät kam.
Über Präventionsmaßnahmen wird versucht Kindesmisshandlung und Vernachlässigung vorzubeugen. Die Zahlen von Kindstötungen der letzte zehn Jahre zeigen sich jedoch fast unverändert. Zahlen bzw. Statistiken über tatsächliche Kindesmisshandlung und Vernachlässigung gibt es nur unzureichend, da erst gemeldete Fälle auch in die Statistik aufgenommen werden. Unser Staat bietet also einige Möglichkeiten, unsere Kinder zu schützen – diese sind jedoch keinesfalls ausreichend und können dies auch gar nicht sein. Jedes Kind dort draußen braucht aufmerksame Nachbarn, Freunde, Kindergartenmütter, Erzieher, Lehrer, Verkäuferinnen, Passanten, Ärzte […], die über sie wachen. Denn sie sind schutzlos, wehrlos und nicht selten ganz allein. Sie können sich nicht selbst befreien. Die Jüngsten unter ihnen können sich noch nicht einmal öffentlich äußern, außer mit ihren begrenzten Mitteln. Wenn Du aufmerksam durch das öffentliche Leben gehst, wirst du viele gesunde, fröhliche, behütete Kinder sehen. Du wirst aber auch gedemütigte Kinder sehen. Vielleicht werden Dir ungewöhnlich viele blaue Flecken auffallen. Oder Du findest einfach nur die Art und Weise, wie diese Kinder behandelt werden nicht richtig. In all diesen Fällen bist Du gefragt.
Viele gefährdete Familien leben oft isoliert, sind mit ihrem Leben überfordert, kommen selbst aus schwierigen Familienverhältnissen, haben finanzielle Probleme, sind arbeitslos und befinden sich in einem ständigen Kreislauf der Sorgen und Nöte. Oftmals besteht auch kein familiärer Zusammenhalt und kaum soziale Kontakte, welche diese Familien auffangen könnten. Zwar gibt es bundesweit eine Vielzahl an Hilfsangeboten aber um diese anzunehmen, müssen diese Familien erst einmal erkennen, dass sie Hilfe benötigen. Meist sind die eigenen Probleme größer, da bleibt keine Zeit für das Wohl der Kinder oder um sich durch die Vielzahl von Hilfsangeboten zu kämpfen um das passende für sich zu finden. Das Jugendamt ist hier leider häufig keine Option.
Wenn Du den Eindruck hast, dass es einem Kind schlecht geht, Du verschiedene Signale wahrnimmst, die auf eine Kindesmisshandlung oder Kindesvernachlässigung schließen lassen, dann schau nicht weg, versuche nicht, diese Hinweise schön zu reden oder gar zu ignorieren. Auch wenn die Hemmschwelle groß ist, weil es einen Nachbarn oder ein Familienmitglied betrifft. Situationen wie diese tun sehr weh. Die Hemmungen und Ängste sind nachvollziehbar. Möglicherweise fragst Du Dich, ob Du dich nicht lächerlich machst, ob Dich Konsequenzen erwarten. Du hast Angst, dass sich Deine Vermutungen als haltlos erweisen. All diese Sorgen sind verständlich, normal und nachvollziehbar. Mache Dir bitte zu jedem Zeitpunkt bewusst, dass es Deine menschliche Pflicht ist, diesen Vermutungen nachzugehen. Kinder, die zu Opfern werden, haben größere Angst als Du.
Jeder von uns hat sein eigenes Päckchen zu tragen aber diese Kinder brauchen jemanden, der ihnen einen Teil ihres Paketes trägt, denn sie sind noch viel zu klein, um dies selbst zu tun. Die Kinder von denen hier gesprochen wird, ertragen täglich Leid. Mache Dir bitte bewusst, dass unter Umständen ihr Überleben davon abhängt, dass Du Dich der Herausforderung stellst.
Manchmal reicht es schon, aufmerksam zu sein oder Hilfe anzubieten. Jeder Einzelne kann etwas tun. Der Schutz der Kinder kann nicht immer Aufgabe Anderer sein. Er kann auch nicht einzig und allein nur in der Verantwortung staatlicher Einrichtungen liegen. Der Schutz der Kinder liegt in der Verantwortung von uns allen.
Nur wenn wir uns dieser Verantwortung bewusst werden und uns dieser Verantwortung auch annehmen, können wir etwas ändern, betroffenen Kindern wieder Hoffnung geben und auch verhindern, dass uns bald der nächste Fall erschüttert.
Die Frage auf die Antwort, wer verantwortlich gemacht werden kann, muss WIR lauten, wenn WIR die Kinder in unserer Mitte nicht schützen. Bitte, wenn Du einen Verdacht hegst, und sei er auch noch so klein: fühle in Dich und trete aus dem Schatten der Sorge damit wir nicht schon wieder eines „unserer“ Kinder betrauern müssen, damit nicht schon wieder eine kleine Seele in Vergessenheit gerät oder nur noch auf dieser Gedenkseite lebt.
Möglicherweise wird sich in einigen Jahren ein großer Mensch daran erinnern, dass du ihm als kleinen Menschen sehr geholfen hast und dieses Mitgefühl und die Courage weitergeben.