Justin

Das ist die Geschichte von Justin. Justin starb im Alter von siebzehn Monaten, am 04. Januar 2006. Justin wurde zu Tode gequält.

Justin und sein drei Jahre alter Bruder hatten zwei verschiedene Väter. Mit dem Vater von Justins Bruder war seine Mutter verheiratet, doch folgte bald die Scheidung. Nach der Scheidung lernte sie Justins Vater kennen, doch auch diese Beziehung hielt nicht lange. Dann lernte sie ihren neuen Lebensgefährten kennen und zog Anfang Juli 2005 mit ihren beiden Söhnen zu ihm in eine drei Zimmer Wohnung in Kaiserslautern.

Der neue Lebensgefährte hatte seine ganz eigenen Vorstellungen, wie man Kinder richtig erzieht. Das eigene Leben gescheitert und mit den zwei Kleinkindern überfordert, wusste er sich nur mit Gewalt zu helfen. Gegenüber den Eltern seiner Lebensgefährtin, der Mutter von Justin und dessen Bruder stieß der neue Lebensgefährte und seine Erziehungsmethoden auf Ablehnung. Zumal der neue Lebensgefährte bereits zwei Mal wegen Körperverletzung vorbestraft gewesen war.

Dem leiblichen Vater von Justins Bruder, der regelmäßig Besuchskontakte zu seinem Sohn pflegte, fielen bereits kurze Zeit später Verhaltensänderungen bei seinem Sohn auf. In Folge dessen informierte er das Jugendamt. Daraufhin wurde am 15. September 2005 ein Mitarbeiter des Jugendamtes bei der Familie vorstellig. Es wurden jedoch keine konkreten Anhaltspunkte für eine Überforderung der Mutter und des Lebensgefährten beziehungsweise Misshandlung oder Vernachlässigung der beiden Kindern festgestellt. Justins Bruder besuchte fortan den Kindergarten, der mit Hilfe des Jugendamtes vermittelt worden war. Im Laufe der darauf folgenden Wochen verschlechterte sich die Beziehung zwischen der Mutter und dem Lebensgefährten. Weiterhin fielen dem Umfeld vermehrt Hämatome an den Kindern auf. Diese wurden aber immer mit Ausreden der Mutter und des Lebensgefährten beschwichtigt. Die Verletzungen würden von Raufereien zwischen den Brüdern untereinander herrühren, oder die Kinder seien gefallen, die Treppe herunter gestolpert und so weiter.

Am 21. Dezember 2005 war der Lebensgefährte mit Justin und seinem Bruder alleine in der Wohnung. Er war mit der Betreuung der beiden Kleinkinder absolut überlastet. Dann musste er auch noch Justin wickeln. Er war sauer darüber, dass er alleine mit den Kindern war, er war sauer, dass er den kleinen Justin frisch machen musste. Also ließ er 52 Grad heißes Wasser in ein Gefäß ein und setzte Justin hinein. Natürlich erkannte er an Justins Reaktion, dass dieser dabei Schmerzen erlitt, doch hielt ihn das nicht davon ab, den kleinen Jungen 5-10 Sekunden in dem viel zu heißem Wasser sitzen zu lassen, denn immerhin wollte er damit auch erzieherisch auf Justin einwirken.

Justin erlitt schwerwiegende Verbrühungsverletzungen vom Rücken bis hin zum Gesäß und Genitalbereich. Der Lebensgefährte aber versuchte die Verletzungen zu verdecken, indem er Justin einfach eine neue Windel anzog. Dass Justin daran hätte sterben können, wenn sich die Wunden entzündet hätten, war dem Lebensgefährten nicht bewusst.

Als Justins Mutter heimkehrte und ihren kleinen Sohn wickeln wollte, erkannte sie direkt die schwerwiegenden Verletzungen und wusste auch, dass eine ärztliche Behandlung dringend notwendig gewesen wäre. Da sie aber  Angst hatte, dass das Jugendamt von den Verletzungen erfahren könnte, ließ sie Justins Wunden nicht von einem Arzt behandeln. Stattdessen versuchte sie, die Wunden selbst zu versorgen. Justins Mutter erkannte sehr wohl unter welchen extremen Schmerzen ihr Sohn tagelang litt, aber sie verdrängte dies und behandelte ihn weiterhin daheim.

Ihr kamen zudem auch Zweifel an den Erziehungsmethoden ihres Lebensgefährten,. Dadurch kam es vor allem am ersten Weihnachtsfeiertag, dem 25. Dezember 2005 zum Streit zwischen beiden und man entschloss sich, dass es wohl das Beste wäre, diese Beziehung zu beenden.

Justins Bruder wurde an diesem Tag im Zuge des Besuchsrechts von seinem leiblichen Vater abgeholt. Irgendwann zwischen dem Vor- und Nachmittag war der Lebensgefährte über Justin sehr verärgert, er packte Justin an beiden Unterschenkeln und hob ihn hoch, sodass Justin kopfüber frei schwingend in der Luft hing. In dieser Position schüttelte er Justin mehrfach so heftig, dass Justins Gehirn in Bewegung geriet, Brückenvenen abrissen und daraufhin eine Hirnblutung einsetzte. In Folge des Schütteltraumas fielen im Verlauf der nächsten Stunden bei Justin immer mehr Körperfunktionen aus, unter anderem der Husten- und Schluckreflex.

Am Abend gegen 19 Uhr bereitete Justins Mutter das Abendessen vor. Ob sie von den erneuten Übergriffen auf ihren kleinen Sohn gewusst hatte und ob ihr die Lebensgefahr, in der ihr kleiner Sohn schwebte, bewusst war, konnte im Nachhinein nicht eindeutig geklärt werden. Es gab Rotkohl mit Knödel. Justin aß die Knödel, dann aß er noch ein bis zwei Löffel Rotkohl, verweigerte allerdings sodann die weitere Nahrungsaufnahme, weil er aufgrund der Hirnverletzungen nicht mehr schlucken konnte. Justins Mutter beendete die Mahlzeit und verließ den Raum. Der Lebensgefährte, der nun mit Justin alleine war, bemerkte dessen plötzliche Atemnot und rief seine Lebensgefährtin zurück. Diese geriet in Panik, legte den kleinen Justin auf die Seite und versuchte ihn mit Schlägen auf den Rücken zum Atmen zu bewegen. Anschließend schüttelte sie Justin und versuchte eine Mund-zu-Mund Beatmung. Als diese ebenfalls keinen Erfolg zeigte, entschloss sie sich, Justin in ein Krankenhaus zu bringen. Auf der Treppe bemerkte sie, dass Justin nach Luft schnappte und drehte erleichtert wieder um, zurück in die Wohnung. Wieder in der Wohnung angekommen, zeigte Justin kaum noch Lebenszeichen und seine Mutter brachte ihn doch ins Krankenhaus.

Zweieinhalb Stunden wurde Justin reanimiert, er kam auf die Intensivstation und wurde mit einer Beatmungsmaschine am Leben gehalten. Sein Kreislauf stabilisierte sich, aber sein Gesamtzustand blieb kritisch.
Der Chefarzt der Kinderklinik des Westpfalz-Klinikum beschrieb den Zustand von Justin als fürchterlich, er habe eine fortgesetzte Folterung durchlitten.

Trotz aller Bemühungen der Ärzte konnte Justin nicht mehr geholfen werden. Sein Gehirn war durch den Sauerstoffmangel zu stark geschädigt worden. Er starb schließlich am 04. Januar 2006 an Hirnversagen.
Die Rechtsmediziner stellten an dem Körper des kleinen Justin Spuren von massiven Gewalteinwirkungen fest. So hatte er Schwellungen, Schürfwunden, Kratzer, Blutergüsse, Hautablösungen, Griff- und Bisspuren, Brand- und Brühverletzungen, Einblutungen in den Netzhäuten und einen Hirnschaden ausgelöst durch Schläge auf den Kopf.

Justin war bereits in einem Zeitraum zwischen 7 und 10 Tagen vor Weihnachten massiv verprügelt worden. Er sei ein paar Tage später entweder in eine heiße Flüssigkeit oder auf einen heißen Gegenstand gesetzt worden. Ziel sei es gewesen, Justin zu quälen.

Gerichtsurteil:
Wie immer, wenn ein Kind Misshandlungen nicht überlebt, folgten gegenseitige Schuldzuweisungen, niemand der beiden wollte für den Tod von Justin verantwortlich sein.

Justins Mutter wurde wegen Misshandlung eines Schutzbefohlenen durch Unterlassen in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Laut Gericht war es die Pflicht der Mutter ihren Sohn zu schützen. Da sie dies nicht getan hatte, sei ihr schwerwiegendes Versagen durch Nichtstun vorzuwerfen.

Der Lebensgefährte wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt.

Schon kurz nach seiner Verhaftung wegen des Tatvorwurfs war der Lebensgefährte den Anfeindungen von Mitgefangenen ausgesetzt. Zu seinem Schutz musste er von den Mitgefangenen getrennt werden.