Jonny Lee

Jonny Lees Geschichte beginnt am 14. Oktober 2001 und endet nach langer Leidenszeit am 11. April 2004. Im Alter von zweieinhalb Jahren wurde Jonny Lee schließlich von seiner Mutter und ihrem Lebensgefährten zu Tode getreten, weil er weinte. Er weinte, da ihm vor seinem Tod mit brachialer Gewalt der Arm aus dem Schultergelenk gedreht worden war.

Jonny Lee lebte mit seinem fünfjährigen Bruder und seiner zwölfjährigen Schwester sowie seiner Mutter und ihrem neuen Lebensgefährten zusammen in Erfurt. Das Leben von Jonny Lee und seinen Geschwistern war geprägt von Schlägen, Verwahrlosung und Trostlosigkeit. Die Mutter war schwere Alkoholikerin und oftmals volltrunken. Ihre drei Kinder ließ sie häufig unbeaufsichtigt in der verwahrlosten Wohnung zurück, ohne dass diese wussten, wann und ob ihre Mutter je wieder heimkehren würde. Die Bitten ihres fünfjährigen Sohnes mit dem Trinken aufzuhören ignorierte die Mutter. Die zwölfjährige Tochter versuchte so gut es ging, sich um ihre beiden kleinen Geschwister zu kümmern. Mit dieser Mutterrolle, der Verantwortung für zwei Kleinkinder war Jonny Lees zwölfjährige Schwester heillos überfordert. Der neue Lebensgefährte versuchte anfangs noch irgendwie der Situation Herr zu werden, Ordnung in das Chaos zu bringen, doch auch ihm wurden die Kinder nach geraumer Zeit lästig.

Dem Jugendamt waren die Verhältnisse in der Familie sehr wohl bekannt. In den Akten des Jugendamtes waren drei Hinweise vermerkt. Bereits im Jahr 2000 wurde das Jugendamt über die Situation in der Familie informiert, ein zweiter Eintrag erfolgte durch einen Polizisten und ein dritter Eintrag sogar durch eine Praktikantin des Jugendamtes. Auch eine Nachbarin hatte mehrfach die Polizei informiert, da sie Hilferufe aus der Wohnung hörte. Allerdings notierten Mitarbeiter des Jugendamtes nach den Hausbesuchen, dass keine Beanstandungen festgestellt werden konnten.

Später sagte ein Zeuge aus, dass der kleine Jonny Lee an Schläge gewöhnt gewesen war, denn er ließ diese ohne zu schreien oder zu weinen über sich ergehen.

In der Nacht zum 11. April 2004 konnte Jonny Lee jedoch sein Weinen nicht zurückhalten, denn er hatte fürchterliche Schmerzen. Vielleicht Wochen, Tage oder sogar kurz zuvor wurde ihm mit unglaublicher Gewalt sein Arm aus dem Schultergelenk gedreht, wodurch es zu einer äußerst schmerzhaften Ablösung der äußeren Knochenhülle kam. Ein Arzt wurde nicht aufgesucht, denn die Mutter war nicht krankenversichert und der Lebensgefährte wollte nicht, dass die Arztrechnung an ihm hängen blieb. Also litt der kleine Jonny Lee still und leise, bis die Schmerzen für ihn unerträglich wurden.

Durch das Weinen von Jonny Lee fühlten sich die Mutter und ihr Lebensgefährte extrem belästigt, denn am Abend zuvor hatten sie schließlich ausgiebig gefeiert und wollten kein wimmerndes und jammerndes Kind hören. Um Jonny Lee zum Schweigen zu bringen, kniete sich einer der beiden auf ihn und hielt ihm den Mund zu, damit Jonny Lee nicht schreien konnte. Danach traten beide abwechselnd bis zu 40 Mal auf den kleinen Körper ein. Unvorstellbar, wie Jonny Lee gelitten haben musste, welche Schmerzen und Ängste er ertrug und noch nicht einmal um Hilfe schreien konnte, weil man ihm den Mund zugehalten hatte. Nach diesem Gewaltexzess an dem völlig wehr- und hilflosen Kind gingen beide seelenruhig schlafen. Jonny Lees kleiner Körper war mit den Abdrücken von Schuhsohlen und Pfennigabsätzen übersät. Während seine Mutter und ihr Lebensgefährte ihren Rausch ausschliefen, verblutete Jonny Lee an zwei Leberrissen. Damit endete Jonny Lees kurzes und leidvolles Leben. Totgetreten und liegen gelassen von seiner Mutter und ihrem Lebensgefährten.

Jonny Lees zwölfjährige Schwester fand ihren leblosen Bruder am nächsten Tag und informierte den Notarzt. Dieser konnte beim Eintreffen nur noch den Tod ihres Bruders feststellen. Die eintreffenden Beamten stellten bei Jonny Lees Mutter noch einen Blutalkoholwert von 1,41 Promille fest.

Das Jugendamt nahm Jonny Lees Geschwister in Obhut und brachte sie in ein Heim.

Über Jonny Lees Schwester ist nur bekannt, dass sie später in einer Psychiatrie untergebracht worden ist.
Die drei Mitarbeiter, welche für die Betreuung der Familie zuständig waren, wurden nach dem Tod von Jonny Lee beurlaubt und ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet.

Beisetzung:
Jonny Lee fand seine letzte Ruhe am 21. April 2004.

Gerichtsurteil:
Am 25.02.2005 wurde die Mutter, sowie ihr Lebensgefährte wegen gemeinschaftlichen Totschlages zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt.

Urteilsbegründung:

Eine derartige Gewaltanwendung gegen ein wehrloses Kind habe der Vorsitzende Richter noch nie erlebt. „Jeder der beiden Angeklagten habe die Tat dem jeweils anderen zugeschoben und die eigene Schuld geleugnet, so dass die Wahrheitsfindung sehr schwer gewesen sei. Anhand der Beweismittel sei aber ausgeschlossen, dass nur ein Täter in Frage komme. Die Kammer ging daher von einem gemeinschaftlich begangenen Totschlag und sogar bedingtem Tötungsvorsatz aus. Mordmerkmale im juristischen Sinne wie niedere Beweggründe oder Grausamkeit seien in diesem Fall nicht anzuwenden, betonte der Richter. Da bei der Frau am Morgen ein hoher Blutalkoholwert festgestellt worden sei, könne verminderte Schuldfähigkeit nicht ausgeschlossen werden, doch die Angeklagte habe gewusst, was sie getan habe. Quelle: Spiegel 25.02.2005

Beide legten gegen dieses Urteil Revision ein, welche jedoch als unbegründet vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe verworfen wurde.

Im Mai 2007 wurde das Verfahren gegen das Jugendamt wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen eingestellt. Es hätte kein hinreichender Tatverdacht bestanden, dass Mitarbeiter des Jugendamtes, obwohl sie Kenntnis von der Vernachlässigung der Kinder hatten, gebotene Maßnahmen unterlassen hätten.