Jamie-Dean

Dies ist die Geschichte des kleinen Jamie-Dean aus Hamburg. Im Alter von nur 83 Tagen fügte ihm sein alkoholisierter Vater lebensbedrohliche Kopfverletzungen zu, die erhebliche Teile seines Gehirns irreparabel zerstört haben. Jamie-Dean verlor sein Augenlicht und sein Gehör, wird nie selbständig schlucken können und bis zu seinem Lebensende auf die Versorgung einer intensiven palliativen stationären Pflege angewiesen sein.

– Die Vorgeschichte –
Jamie-Deans zukünftiger 27-jähriger Vater war vorbestraft und aufgrund von Diebstählen, Drogen-Delikten und Körperverletzung polizeibekannt. Er konsumierte seit seinem 16. Lebensjahr immer wieder Alkohol und Drogen und hatte zudem mehrere Entgiftungen sowie eine Langzeittherapie hinter sich. Er war bereits Vater einer 4-jährigen Tochter und sagte später über sich, dass er zu Aggressivität neige. Insbesondere unter Alkoholeinfluss. Jamie-Deans zukünftige 30-jähriger Mutter war ebenfalls polizeibekannt. Das Paar lernte sich während einer Entzugskur kennen. Als diese beendet war änderten sie – nach Auffassung der Staatsanwaltschaft – ihr Sucht- bzw. Trinkverhalten nicht. Zunächst zog Jamie-Deans zukünftiger Vater in die Wohnung der auf St. Pauli lebenden zukünftigen Mutter von Jamie-Dean. Dort setzten sie ihren Lebensstil gemeinsam fort. Beide tranken, es wurde oft gestritten und es kam auch zu gemeinsamen Prügeleien des Paares, so dass Anwohner mehrfach Besuche von Polizeibeamten dort registrierten. Es folgte ein Umzug in den Stadtteil Finkenwerder und die Schwangerschaft -der kleine Jamie-Dean war nun unterwegs. Einige Monate vor seiner Geburt verlor der Vater seine Arbeitsstelle und vor diesem Hintergrund steigerte er seinen Alkoholkonsum nochmals, trank täglich und betrank sich allabendlich. Der Nachbarschaft war es nicht fremd, dass Türen knallten und Geschrei und Gebrüll aus der Wohnung drangen.

– Jamie-Deans trauriges Schicksal beginnt –
Jamie-Dean wurde am 03. Februar 2015 mit 2180 Gramm in Hamburg geboren. Er war ein zartes Baby. Drei Tage später – Jamie-Dean war noch nicht entlassen – kam es zu einem Zwischenfall im Krankenhaus, der dort für Aufmerksamkeit sorgte. Jamie-Deans Vater schien einen massiven „Ausraster“ gehabt zu haben und der Sozialdienst des Krankenhauses informierte aufgrund dessen das Jugendamt. Auch Jamie-Deans Mutter fiel zu diesem Zeitpunkt durch ihr gereiztes und ungeduldiges Verhalten auf der Station auf. Zudem hatte sie keine Hebamme. Daraufhin wurde der Allgemeine Soziale Dienst (kurz ASD) des Jugendamtes HH-Mitte aktiviert, um die häuslichen Bedingungen im Interesse des kleinen Jamie-Dean zu prüfen. An dieser Stelle kam es erneut zu einem „Ausraster“ des Vaters, der den Mitarbeitern des ASD unter anderem den Zutritt zur Wohnung verwehrte. Zu einem späteren Zeitpunkt zeigte er sich dann doch gesprächsbereit, kooperierte und die Familie erhielt von nun an einmal wöchentlich einen kurzen Besuch einer Mitarbeiterin des Trägers „Familienhelden“. Ein Angebot zur Familienhilfe seitens des ASD nahmen die Eltern jedoch nicht wahr.
Erneut, der kleine Jamie- war nun etwa 1,5 Monate alt, fielen die Eltern durch ihr Verhalten auf. Am 20. März 2015 riefen besorgte Anwohner abermals Polizeibeamte in die Wohnung der Familie, in der es übermäßig laut zu ging. Die Beamten trafen die beiden betrunkenen Eltern dort an. Das Paar hatte sich gestritten und geschlagen. Weiterhin registrierten die Beamten auch die desolate Wohnsituation der Familie und meldeten, dass möglicherweise eine Kindeswohlgefährdung für den kleinen Jamie-Dean vorliegen würde. Daraufhin erhielt die Familie einen erneuten Besuch von Mitarbeitern des ASD und des Trägers „Familienhelden“. Diese stellten bei diesem gemeinsamen Besuch keine Kindeswohlgefährdung für den kleinen Jamie-Dean fest. Es wurde seitens des Jugendamtes keinerlei Maßnahmen getroffen. Die Behörde sah keine Gefahr, vernahm keine Auffälligkeiten. Die „Familienhelden“ beendete ihre Besuche in der Familie zum 21. April 2015. Niemand fühlte sich dem kleinen Jamie-Dean zu diesem Zeitpunkt länger verpflichtet.

Eine Woche später, in der Nacht zum 29. April 2015, ereigneten sich dann die folgenschweren Misshandlungen, die Jamie-Dean von seinem betrunkenen Vater zugefügt wurden. Da sich die Angaben des Paares bei einer darauffolgenden Vernehmung nicht mit dem Gesundheitszustand des kleinen Jungen deckten, stand Jamie-Deans Vater relativ schnell unter dringendem Tatverdacht.

In mehreren Prozesstagen wurden im November / Dezember 2015 die Geschehnisse der Tat vor dem Landgericht Hamburg rekonstruiert und zusammengetragen. Jamie-Deans Vater legte bereits zum Prozessauftakt ein Teilgeständnis ab. Während des Prozesses zeigte er sich reumütig und bedauerte sein Handeln. Die Anklage lautete auf gefährliche und schwere Körperverletzung, Misshandlung von Schutzbefohlenen sowie Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht.

Jamie-Deans Vater sagte aus, dass er mit Jamie-Deans Mutter am Tag der Tat bereits nachmittags Alkohol trank. Er sprach von einer gemeinsamen „Feier“. Das gemeinsame Trinken zog sich über den ganzen Abend und er hätte auch mehrmals Nachschub vom naheliegenden Kiosk geholt. Sie spielten Computerspiele und hatten Spaß. An alle Details konnte sich Jamie-Deans Vater jedoch nicht mehr erinnern. Seiner Erinnerung nach ging er noch vor Mitternacht zum Bettchen seines Sohnes und hob ihn heraus, weil er ihm nahe sein wollte. Jamie-Dean schlief zu diesem Zeitpunkt friedlich und fest. Womöglich habe er beim Herausheben jedoch gequengelt. Er habe ihm deshalb eine leichte Ohrfeige gegeben und ihn dann wieder in sein Bettchen gelegt. Seiner Aussage nach war er selbst darüber erschrocken, verschwieg den Vorfall jedoch gegenüber Jamie-Deans Mutter und trank weiter. Spätere Ermittlungen ergaben zudem, dass er gegen 0.32 Uhr auf Facebook „stinksauer“ in seinem Account postete. Zwischen 4.00 Uhr und 5.00 Uhr vernahmen Anwohner wieder lautes Gebrüll und knallende Türen aus der Wohnung des Paares. Am nächsten Morgen, so Jamie-Deans Vater, hätte er Jamie-Dean dann gegen 7.00 Uhr erneut aus seinem Bettchen gehoben, da er ihn weinen hörte. Der kleine Körper sackte zusammen, es gab keine Atmung mehr und daraufhin hätte er ihn geschüttelt und geohrfeigt. Jamie-Dean zeigte zu diesem Zeitpunkt keine Regung mehr, die Eltern verständigten daraufhin den Notruf und folgten den Anweisungen der Rettungskräfte. Als diese eintrafen, fanden sie den in Lebensgefahr schwebenden kleinen Säugling. Er wurde mit einer Herzdruckmassage reanimiert, im UKE aufgenommen und in ein künstliches Koma versetzt. Ein Ärzteteam rang intensiv um sein Leben. Bei den eintreffenden Polizeibeamten verfiel der Angeklagte wieder in einen barschen Tonfall und verwies sie aus – laut einem Beamten, der als Zeuge geladen war – aus der völlig verdreckten Wohnung. Den Zustand des kleinen Jamie-Deans erklärte er zu diesem Zeitpunkt mit einem Herzfehler. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass Jamie-Deans lebensbedrohlicher Zustand durch massive Gewalteinwirkung hervorgerufen war und es wurde ein Haftbefehl wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gegen Jamie-Deans Vater erlassen. Er kam – bis zum Prozessauftakt im November 2015 – in Untersuchungshaft.

Ab Anfang Mai 2015 wurde Jamie-Dean dann nach und nach aus dem Koma geweckt. Sein kleiner Köper kämpfte und nahm wieder seine Atmung auf. An der Tatsache, dass Jamie-Dean nun schwerstbehindert war, änderte dies jedoch nichts. Jamie-Dean wurde von der Intensiv- auf eine Palliativstation verlegt. Den Eltern wurde durch das Familiengericht das Sorgerecht entzogen.

Die Staatsanwaltschaft berief sich auf das medizinische Gutachten und sah es als erwiesen an, dass Jamie-Deans Verletzungen nicht zu den Angaben des Vaters passten. Sie war der Überzeugung, dass der Säugling nachts einen oder mehrere kräftige Schläge gegen sein Köpfchen erhalten hatte. Zudem musste er massiv geschüttelt worden sein, so dass sein Köpfchen peitschenartig hin und hergeflogen war. Ihrer Auffassung nach musste Jamie-Deans Vater aus irgendeinem Grund die Nerven verloren und gewaltsam zugeschlagen haben. Das Motiv blieb unklar. Möglicherweiser störte der Säugling. Es stand auch Eifersucht im Raum, denn angeblich erhielt Jamie-Dean – nach Aussage seines angeklagten Vaters – durch die Kindsmutter mehr Aufmerksamkeit als er selbst und fühlte sich dadurch zurückgesetzt.

Jamie-Deans Mutter hingegen, die zum Prozess als Zeugin geladen war, verweigerte ihre Aussage vor Gericht und gab an, dass sie auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen würde, denn schließlich sei der Angeklagte ihr Verlobter. Weiterhin gab sie an, dass ohnehin alles schon schlimm genug sei. Vergeblich versuchte der vorsitzende Richter sie umzustimmen und zu einer Aussage zu bewegen. Unter Eid musste sie die bestehende Verlobung mit dem Angeklagten bestätigen. Niemand weiß, ob sie die Tat billigte, im berauschten Zustand keine Kenntnis davon nahm, Jamie-Deans Vater schützen wollte oder welche Gründe sie dazu bewegten, nachts nicht nach ihrem kleinen Sohn zu schauen, oder vor Gericht alles dafür zu tun, dass dem kleinen Jamie-Dean – ihrem eigenen Sohn – Gerechtigkeit widerfahren würde.

Offen blieb auch, ob das Jugendamt, der ASD und der Träger „Familienhelden“ um die Vergangenheit von Jamie-Deans Vater, seinen Entgiftungen, der Langzeittherapie, den Vorstrafen und den Drogen-Delikten wussten. Dahingehende Ermittlungen gab es nicht.

Jamie-Deans Vertreterin, eine Hamburger Anwältin, forderte zum Prozessbeginn zehn Jahre Haft für den Angeklagten.

Verurteilt wurde Jamie-Deans Vater zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft. Zudem ordnete das Gericht einen geschlossenen Entzug nach 21monatiger Haft und eine Zahlung über 100.000 EURO Schmerzensgeld an, die der Angeklagte an seinen Sohn zahlen solle. Für die Verteidigung war dieses Urteil akzeptabel. Jamie-Deans Vater nahm es an. Die Strafkammer rechnete dem Angeklagten verminderte Schuldfähigkeit an. Er sei zur Tatzeit erheblich betrunken gewesen. Der vorsitzende Richter hielt eine fast zweistündige Urteilsverkündung und richtete seine Worte zu dem Angeklagten. Er rezitierte „Sind so kleine Hände“ der Sängerin Bettina Wegner. Dieses Textstück dichtete er um in „Sind so kleine Köpfe, zarte Hälse dran, darf man niemals schütteln, geh´n kaputt davon“ Er verdeutlichte, dass es eine gerechte Strafe nicht geben könnte und zeigte sich sehr bewegt.

Der zuvor kerngesunde kleine Jamie-Dean erlitt durch die Gewalteinwirkung seines Vaters schwerste Kopf- und massive Hirnverletzungen. Er ist seither blind und taub. Er leidet an Lähmungen, wird künstlich ernährt und niemals laufen, sprechen oder in irgendeiner anderen Form am Leben teilnehmen können. Die Anwältin, die Jamie-Dean vor dem Gericht vertreten und auf der Palliativstation auch in Augenschein genommen hatte, gab an, dass es sich bei dem kleinen Jamie-Dean „nur noch um eine menschliche Hülle handelt.“ Jamie-Deans Gehirn wurde so gut wie zerstört. Seine Lebenserwartung beträgt wenige Jahre.

Kleiner Jamie-Dean!
In diesen wenigen Jahren werden unsere Gedanken tagtäglich bei Dir sein und Dir Wärme und Liebe spenden. In unseren Herzen halten wir Deine kleinen Hände und es wird immer ein besonderer Platz für Dich darin sein. Du bist nicht allein und wirst geliebt!