Fee-Marie

Dies ist die Geschichte von Fee Marie aus Soest. Das kleine Mädchen starb im Jahr 2013 im Alter von vier Monaten, weil ihre Mutter sie fünf Tage in der Wohnung zurück ließ, um eine Halloweenparty zu feiern.

Die Mutter von Fee wuchs in schwierigen Verhältnissen auf. Ihre Mutter war bereits zur Zeit der Schwangerschaft alkoholabhängig. Ihre Eltern trennten sich früh. In der Schule war sie schwach. Erst als sie sich selbstständig an eine Sozialarbeiterin der Schule wendete, bekam sie Hilfe. Binnen eines Tages erfolgte die Unterbringung in einer Pflegefamilie, in der sie bis zu ihrem Auszug im August 2011 lebte. In dieser Zeit erlangte sie zunächst den Haupt – später den Realschulabschluss. Die Lehre zur Hauswirtschafterin brach sie kurz vor dessen Ende ab. Der Druck sei zu groß gewesen, sie sei der Belastung nicht gewachsen gewesen. Im Jahr 2012 begab sie sich aufgrund von Überlastungszuständen zweimal in stationäre psychische Betreuung.

In dieser Zeit wurde sie zum ersten Mal schwanger, trieb noch während des Aufenthalts ab. Doch zum Ende des Jahres stellte sich erneute eine Schwangerschaft ein. Dieses Mal beschloss sie, das Kind zu bekommen. Sie habe sich sehr darauf gefreut, sagten die Betreuer aus und die Hilfe, die sie bekam, dankbar angenommen.

Sie bereitete alles für Fees Ankunft vor und ließ das Baby nach ihrer Geburt am 22.07.2013 nicht aus den Augen, gab übervorsichtig Acht auf sie und sprach davon, ein Wunschkind geboren zu haben. Die Sozialarbeiterin und eine Sozialpädagogin, die die Mutter bereits seit März 2013 betreuten, besuchten sie regelmäßig. Nie habe es Anzeichen von Vernachlässigung gegeben. Eine Unterbringung im Mutter-Kind-Heim sei nur kurz in Betracht gezogen worden. Zum einen habe die Mutter dies nicht gewollt- sie wollte mit derlei Klientel nicht in Verbindung gebracht werden, zum anderen haben alle Beteiligten die gute Mutter-Kind Bindung wahrnehmen können.

Am 14.10.2013 fand die U3 beim Kinderarzt statt. Fee lag mit Gewicht und Größe genau im Rahmen für ihr Alter. Sie war gut entwickelt und gedieh prächtig. Zu dieser Zeit fand auch ein Abschlussgespräch mit einer sie bis dahin betreuenden Kinderkrankenschwester statt.

In den folgenden Tagen änderte sich das Verhalten der Mutter grundlegend. Sie sagte sämtliche Termine mit Betreuern und Helfern ab, gab vor, krank zu sein. In ihrem Freundes – und Bekanntenkreis war sie nur noch ohne Fee anzutreffen. Sie erzählte stets, dass sie von Freunden, die dem jeweiligen Treffen nicht beiwohnten, beaufsichtigt wird. In Wirklichkeit war sie jedoch zu dieser Zeit schon allein in der Wohnung.

Am 28. Oktober 2013 erzählte sie ihrer engsten Freundin unter Tränen, dass Fee nicht mehr lang zu leben habe. Sie leide an einem unheilbaren, tennisballgroßen Hirntumor und man es wäre jederzeit mit dem Schlimmsten zu rechnen. Die Freundin berichtete ihrer Mutter davon. Beide waren schockiert und wollten der Mutter in ihrer vermeintlich schweren Zeit helfen. So organisierte die Mutter der Freundin bereits für den nächsten Tag einen Termin bei einem befreundeten Bestatter, in dem Fees Mutter sich die Kosten einer Seebestattung auflisten ließ. Sie habe sehr gefasst gewirkt, als ob sie das Schicksal ihrer Tochter nicht realisiert habe. Ein Schicksal, das es in der dargebrachten Form nie gab. Fee war gesund. Es bestand zu keinem Zeitpunkt der Verdacht auf eine maligne Erkrankung oder gar eine gesicherte Diagnose.

Offenbar versorgte ihre Mutter sie in dieser Zeit allerdings immer seltener. Vom 14.10.2013 bis zu ihrem Tod, der zwischen dem 01. und 02.11.2013 eintrat (also binnen 2,5 Wochen), verlor Fee die Hälfte ihres Gewichts.

Die Mutter lernte in dieser Zeit einen Mann im Internet kennen, berichtete ihm auch von ihrer kleinen Tochter. Die beiden vereinbarten ein Treffen zu einer Halloweenparty, die mehrere Tage andauerte. Die Mutter traf sich am 31.10.2013, dem Tag der Abfahrt mit ihrem gesetzlichen Betreuer und ließ sich 320,-€ ihres Geldes vorschießen. Als Grund gab sie an, sich einen neuen Kühlschrank kaufen zu wollen. Am Abend legte sie die frisch gebadete und gefütterte Fee, umgeben von Kissen in ihr Bett. Später gab sie an, ihre Rückkehr für den frühen Morgen des nächsten Tages geplant zu haben. Das Gericht glaubte ihr dies nicht. Ihrer Ansicht nach war Fees Tod geplant. Die nächsten Tage verbrachte die Mutter in einem Drogenrausch aus Ecstasy und Amphetaminen in Begleitung des Mannes aus dem Internet, fünfzig Kilometer weit weg von ihrer Tochter. Fee werde von den Großeltern betreut, berichtete sie ihm.

Fees Weinen wurde von Nachbarn nicht gehört. Vermutlich war sie durch die Mangelernährung bereits so geschwächt, dass ihr die Kraft fehlte und sie bereits nach kurzer Zeit immer wieder das Bewusstsein verlor.

Am 05.11.2013 habe sie zum ersten Mal wieder an Fee gedacht, gab die Mutter vor Gericht an. Sie habe Fee stets als Bildschirmhintergrund ihres Handys gehabt und dieses auch in den fünf Tagen des Drogenrausches bei sich getragen – sie könne ihr Kind nicht vergessen haben, gaben Freunde in der Verhandlung an. Sie fuhr nach Hause zurück und habe Fee tot aufgefunden. Sie habe sich zu ihr gelegt, geweint und mit ihr gesprochen. Anschließend sei sie so verstört gewesen, dass sie erneut zu ihrem Freund gefahren sei. Unterwegs habe sie ihre Freundin angerufen und von Fees Tod berichtet. Außerdem sei sie bereits bestattet worden. Die Freundin zweifelte aufgrund des vermeintlichen Hirntumors nicht daran.

Erst vierzehn Tage später kehrte sie aufgrund eines Termins erneut nach Hause zurück, traf sich mit einer Sozialarbeiterin. Diese fragte nach Fee, erfuhr ebenfalls, dass diese von den Großeltern betreut würde. Sie hatte jedoch Gerüchte gehört, die von dem vermeintlichen Gehirntumortod zeugten. Die Mitarbeiterin fragte gezielt danach und erreichte damit einen Zusammenbruch des Lügengebildes. Seit zwei Wochen liege Fee tot in ihrer Wohnung, berichtete die Mutter. Sofort alarmierte die Sozialarbeiterin das Jugendamt und die Polizei, fuhr mit der Mutter zu ihrer Wohnung. Diese wurde noch vor Ort festgenommen.

Gerichtsurteil:
Rund ein halbes Jahr später begann der Prozess gegen die Mutter. Während der Untersuchungshaft musste sie in Einzelhaft untergebracht werden, da Mithäftlinge sie massiv bedrohten. In acht Prozesstagen sagten 19 Zeugen aus, wurden Gutachten verlesen und das Geschehene bis ins Detail rekonstruiert. Die Mutter sagte aus, schwieg dann wieder und weinte, als ihre Freundin sich im Zeugenstand direkt an sie wandte und fragte, wie lang Fee wohl geweint haben müsse, ehe sie sterben durfte.

Die Mutter wurde für voll schuldfähig gehalten, die Anklage lautete auf Mord durch Unterlassung. Am 19. 07. 2014 sah das Gericht diese Anklage als erwiesen an und sprach das Urteil der lebenslangen Haft aus.

Fee, deine Zeit auf dieser Welt war ungerechterweise unglaublich kurz. Vielleicht hast du im Gegensatz zu anderen Kindern in deinem Himmel wenigstens zeitweise erfahren dürfen was Liebe ist. Dennoch hättest du viel mehr davon verdient. Du hättest, wie jedes andere Kind auch, mit Liebe überschüttet werden müssen. Niemals hättest du auch nur für eine Minute allein gelassen werden sollen und du hättest nicht so einsam, verzweifelt und angstvoll sterben dürfen. Indem wir deine Geschichte wahren, behälst du immer einen Platz in unseren Herzen, in unserer Mitte. Wir geben dir und allen anderen Seelen, die auf so grausame Weise sterben mussten, das Versprechen alles in unserer Macht stehende zu versuchen, damit so etwas irgendwann nicht mehr passiert. Ruhe sanft kleiner Engel, wir umarmen dich.