Erik

Das ist die Geschichte des kleinen Erik aus Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern. Erik wurde nur zwanzig Monate alt.

Der 48-jährige Freund der Mutter sollte am 14. Mai 2010 auf Erik und seine dreijährige Schwester aufpassen. Eriks Mutter hatte sich mit einer Freundin verabredet, um mit ihr die Abendstunden in einer Disco zu verbringen. Dies missfiel dem Lebensgefährten, denn beide hatten sich zuvor schon einmal zeitweise getrennt.

Was an jenem Abend geschah, an dem Erik, seine Schwester und der Lebensgefährte alleine waren, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Jedoch fühlte sich der Lebensgefährte, welcher durch die Beziehungsprobleme bereits gestresst war, offensichtlich durch den quengelnden Erik überfordert. Um Erik ruhig zu stellen, schüttelte er ihn massiv. Dabei schlug der kleine Kopf gegen einen Gegenstand.

Daraufhin rief der Lebensgefährte selbst den Notarzt. Erik befand sich bereits in akuter Lebensgefahr mit Atem- und Herzstillstand. Er wurde umgehend ins Uni-Klinikum Geifswald eingeliefert. Neben den schweren Blutergüssen am Körper stellten die Ärzte bei Erik einen klaffenden Bruch fest, der seinen gesamten Schädel durchzog, was eine Schwellung seines Gehirns zur Folge hatte.

Vier Tage später, am 18. Mai 2010, führte dieses Hirnödem schließlich zum Hirntod und die Ärzte schalteten die Geräte, welche Eriks Körper noch am Leben gehalten hatten, ab.

Der Lebensgefährte wurde als Tatverdächtiger festgenommen und Ermittlungen wegen Körperverletzung mit Todesfolge, oder aber Totschlags, wurden aufgenommen. Der Tatvorwurf sollte aber erst nach dem gerichtsmedizinischen Gutachten festgelegt werden. Jedoch sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stralsund, dass laut Gesamtbild der Verletzungen, ein Sturz des Kindes ausgeschlossen werden könne. Alles deute vielmehr darauf hin, dass das Kind getreten, geschlagen und geschüttelt worden war.

Bekannt wurde später auch, dass das Jugendamt seit Januar 2010 durch einen Hinweis aus dem Umfeld bereits in Kontakt mit der Familie stand. Die Sozialarbeiter kamen aber zu dem Entschluss, dass die Mutter keine unterstützende Hilfe bei der Erziehung ihrer Kinder benötigte. Sie wurde lediglich in ein Projekt eingebunden, welches junge Mütter auf den Weg in das Arbeitsleben unterstützen sollte. Das Jugendamt wurde aber auch im Januar 2010 darüber informiert, dass Erik wegen einer angeblichen Hirnhautentzündung in einem Krankenhaus in Behandlung gewesen sei. Schon hier hatte der behandelnde Kinderarzt den Verdacht, dass Erik womöglich misshandelt worden sei. Dieser Verdacht bestätigte sich jedoch nicht. Im Prozess gegen den Lebensgefährten sagte aber der rechtsmedizinische Gutachter aus, dass es sich bei den Verletzungen vom  Januar 2010 um ein Schütteltrauma gehandelt haben könnte.

Nach dem Tod von Erik hatte sich dessen Mutter zusammen mit ihrer dreijährigen Tochter freiwillig in eine offene Mutter-Kind-Einrichtung begeben.

Gerichtsurteil:
Am 18. November 2010 wurde der Lebensgefährte zu einer Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft hatte auf Totschlag und einer Haftstrafe von acht Jahren plädiert, wohingegen die Verteidigung  einen Freispruch forderte. Nach dem Urteil wollten Staatsanwaltschaft wie auch Verteidigung die Möglichkeiten einer Revision prüfen.

In der Urteilsbegründung sagte die Richterin, es hätte keinen Zweifel daran gegeben, dass der Lebensgefährte den kleinen Erik massiv geschüttelt und dabei mit dem Kopf gegen einen Gegenstand gestoßen habe.

Im Verfahren gab der Lebensgefährte aber an, dass Erik ihm aus den Händen geglitten und mit dem Kopf auf dem Fußboden geprallt sei. Die Verteidigung stützte die Aussage mit dem rechtsmedizinischen Gutachten, welches einen Sturz nicht vollends ausgeschlossen hatte.

Allerdings hielt das Gericht und auch die Staatsanwaltschaft die Aussage des Lebensgefährten nicht für glaubhaft, da er den vermeintlichen Sturz auch erst angab, als eben dieses rechtsmedizinische Gutachten die Möglichkeit eines Sturzes nicht gänzlich ausgeschlossen hatte.

Auch die Rekonstruktion des Tathergangs durch den Lebensgefährten hielt das Gericht für nicht glaubwürdig. In dem Video habe er eine Puppe herunterschleudern müssen, um ein ähnliches Verletzungsbild wie bei Erik zu verursachen.

Letztlich konnte der konkrete Tatablauf aber nicht mehr ermittelt werden.

„Wir wissen, dass es an diesem Abend einen ganz massiven Schlag gegen den Kopf des Kindes gegeben hat. Wir wissen aber nicht, ob der Kopf ungewollt oder vorsätzlich gegen einen Gegenstand geschlagen wurde“, sagte die Richterin. Deshalb sei eine Verurteilung wegen Totschlags nicht in Betracht gekommen, diese würde eine vorsätzliche Tötungsabsicht voraussetzen. Quelle: Hamburger Abendblatt, 18.11.2010