Dies ist die Geschichte von Dominic aus Leipzig-Stötteritz. Er starb im Alter von gerade einmal zwei Jahren. Besonders tragisch ist sein Tod, da Nachbarn, Bekannte und Verwandte die Gefahr sahen und handelten, das Jugendamt jedoch nicht eingriff.
Als sich Dominic´s Eltern im August 1997 kennenlernten, waren beide bereits schwer heroinabhängig. Der Vater hatte bereits einige Zeit im Gefängnis verbracht. Kurze Zeit später wurde die damals 17-jährige schwanger und im Juni 1998 kam ungewollt Dominic zur Welt.
Etwa zur gleichen Zeit wurden die Behörden auf Dominic´s Eltern aufmerksam, weil sie die Stromrechnung für Ihre Sozialwohnung nicht bezahlten. Das Amt übernahm die Kosten, man bot den Eltern eine Erziehungshilfe an, die jedoch abgelehnt wurde. Die beiden wollten nur das Geld für die Stromrechnung. Später liefen erneut Schulden auf, die Wohnung wurde gekündigt.
Nachbarn und Bekannte wurden schnell aufmerksam auf die Gefahr, in der Dominic sich befand. Ein beherzter älterer Nachbar, dem es merkwürdig erschien, dass die Jalousien des Kinderzimmers tagelang geschlossen waren, machte die Kinderärztin der Familie ausfindig. Diese beruhigte ihn, es gehe dem Kind gut. Später meldete er seine Bedenken dem Jugendamt, dort nahm man es „zur Kenntnis“.
Ebenso wandte sich eine Tante Dominics an das Jugendamt, Dominic würde häufig weinen und sei oft allein. Das Jugendamt schickte daraufhin einen Mitarbeiter zur elterlichen Wohnung. Als die Mutter diesem jedoch keinen Zutritt gewährte, beließ man es dabei.
Nachbarn beschwerten sich über laute Streitereien beim Vermieter. Dieser schickte ebenfalls zwei Mitarbeiter, die Mutter versicherte ihnen, man würde sich trennen, es kehre bald Ruhe ein. Die Besucher befanden die Wohnung als unordentlich, jedoch sei das Kleinkind munter herumgekrabbelt.
Als sich der besagte ältere Nachbar weiterhin Sorgen machte, in Anbetracht des ständig schreienden Kindes und seine Beobachtungen erneut dem Jugendamt schilderte, reagierte dieses mit einem Besuch von zwei Kollegen, welche ihre Hilfe anboten. Die Wohnung wurde als nicht verwahrlost beschrieben, das Kind sei munter und bei bester Gesundheit.
Der Jugendamtsmitarbeiter gab den Fall im März 2000 an eine Kollegin ab mit dem Vermerk, das Kindeswohl sei nicht gefährdet. Als im April eine Bekannte der Mutter dem Jugendamt berichtete, dass selbige Drogen konsumiere und Dominic mit zu ihrem Dealer nehmen würde, reagierte die inzwischen zuständige Sachbearbeiterin darauf, indem sie die Mutter in Briefen dazu aufforderte, zu einem Gesprächstermin zu erscheinen. Erwartungsgemäß blieb die Antwort der Mutter aus. Sie rutschte indes immer tiefer in den Drogensumpf, ging inzwischen anschaffen um das Heroin zu finanzieren.
Im Juni 2000 meldete die Jugendgerichtshilfe dem Jugendamt, dass der jungen Frau eine Gefängnisstrafe wegen Drogendelikten drohe. Die Reaktion der Jugendamtsmitarbeiterin: sie bat erneut schriftlich um einen Termin bei der Mutter, um die Unterbringung Dominics während der Haftzeit zu klären. Dieser Brief blieb wieder unbeantwortet. Eventuell erreichte er die Mutter nie , da diese das zu dieser Zeit zu sanierende Haus inzwischen verlassen und bei einem Onkel untergekommen war. Der Vater saß zum wiederholten Male im Gefängnis. Sie gab an, dass sie Dominic bei der Großmutter untergebracht habe für die Zeit. Eine fatale Lüge. Der erst zweijährige Dominic war allein in der Wohnung zurückgeblieben.
Am 3. Juli 2000 suchte das Wohnungsamt die inzwischen gekündigte Wohnung auf, um der Mutter eine neue Unterkunft anzubieten. Das gesamte Haus wirkte verlassen.
Aufgrund der vorgenommenen Sanierung waren die meisten Mieter inzwischen ausgezogen. Ob Dominic zu diesem Zeitpunkt noch lebte, konnte rückwirkend nicht geklärt werden. Nachdem niemand öffnete, verschwand man unverrichteter Dinge. Als eine Woche später eine Gerichtsvollzieherin und der Hausmeister im Rahmen einer Zwangsräumung die Wohnung öffnen ließen, fanden sie in der zugemüllten Wohnung Dominic vor seinem Kinderbett liegen. Er war elendig verhungert und verdurstet.
Gerichtsmediziner schilderten später, man könne sich diese Art des Sterbens kaum qualvoller vorstellen. Niemand hatte sein verzweifeltes Schreien gehört. Sein kleiner Körper war auf unter 7 Kilo abgemagert. Demnach war er bereits vor seinem Tod deutlich unterernährt gewesen, da normal entwickelte Kinder in diesem Alter zwischen 10-12 kg wiegen.
Zur Erinnerung: nur Wochen zuvor schätzten zwei Mitarbeiter des Jugendamtes das Kindeswohl als nicht gefährdet ein.
Die Beisetzung:
Nach seinem Tod bekam Dominic mehr Aufmerksamkeit als in den Monaten zuvor: Die Nachbarn des Stadtteils sammelten Geld für einen Grabstein. Dominics Leiche wurde in einem kleinen blauen Sarg mit goldenen Sternen, übersät von Kuscheltieren und Blumen, beigesetzt. An der bewegenden Abschiedszeremonie nahm Dominics Mutter nicht teil. Sein Vater erschien in Handschellen, er saß inzwischen wieder in Haft.
Gerichtsurteil:
Dominics Mutter sagte zu, ein volles Geständnis abzulegen. Allerdings nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das Gericht gab ihr dahingehend Recht, da man ihre „schutzwürdigen Interessen“ (aufgrund des Drogenkonsums und der Prostitution) nicht verletzen dürfe.
Sie gab zu, Dominic, den sie ausschließlich als „das Kind“ bezeichnete, als lästig empfunden zu haben. Den Wunsch, ihn wegzugeben habe sie nur Dominics Vater zuliebe nicht nachgegeben. Sie gab ebenfalls die Vernachlässigung zu und betonte, ihr Leben sei von Drogen bestimmt gewesen. Da sie ihre Sucht durch Prostitution finanzieren musste, überließ sie ihren 2jährigen Sohn sich selbst.
Die Anklage konnte ein bewusst grausames Verhalten der Mutter nicht nachweisen, sodass sie letztendlich wegen Totschlags durch Unterlassen zu fünf Jahren Jugendstrafe verurteilt wurde. Darüber hinaus wurde ihre Unterbringung in einer Entzugsklinik angeordnet.
Gegen die beiden Mitarbeiter des Jugendamtes wurde ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung sowie unterlassener Hilfeleistung eröffnet. Da sich hierzu keinerlei Informationen finden lassen, ist anzunehmen, dass es zu keiner Anklage diesbezüglich kam.