Ben, Titus & Milla

Dies ist die Geschichte von Ben (11 Jahre), Titus (4 Jahre) und ihrer kleinen Schwester Milla (3 Jahre). Die drei Geschwister lebten in Steinfurt-Borghorst (Nordrhein-Westfalen) und starben in der Nacht zum 5. Mai 2014 an einer Kohlenmonoxid Vergiftung.

Erst wenige Monate vor dem Tod der drei Kinder war die Familie nach Steinfurt-Borghorst gezogen. Ihr neues Zuhause war eine hübsche Doppelhaushälfte. Die Mutter arbeitete als Erzieherin; war zuletzt jedoch Hausfrau. Alles wirkte nach außen hin normal.

Ben, der Älteste, stammte aus einer früheren Beziehung der Mutter. Titus und Milla waren gemeinsame Kinder des Paares. Was niemand wusste war, dass der Vater der beiden jüngsten Kinder mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt kam. Er saß eine Haftstraße ab. Ein streng behütetes Geheimnis, das die Mutter belastete und aus Scham wohl für sich behielt. Sie war mit der familiären Situation überfordert, was jedoch erst drei Wochen vor dem Tod der Kinder bekannt wurde.

Am 14. April 2014 nahm eine Person aus dem näheren Umfeld der Familie Kontakt mit den Behörden auf. Die Person machte sich große Sorgen um die Mutter und bat das Gesundheitsamt um Hilfe. Zu diesem Zeitpunkt sprach man von einer Krisensituation, in der sich die Mutter der Kinder befand. Hintergrund für diese psychische Belastung war vermutlich die Tatsache, dass ihr Ehemann und Vater ihrer beiden kleinen Kinder im Gefängnis saß. Sie litt an Depressionen.

Die Behörden wurden somit über die Familiensituation informiert. Laut Aussage der Behörde, sei noch am gleichen Tag eine Sozialarbeiterin zur Familie gefahren. Da sich Kinder im Haushalt befanden, wurde eine Mitarbeiterin vom Jugendamt hinzugezogen. Die Behörden gaben an, dass es aus ihrer Sicht keine Notwendigkeit gegeben hatte weiter tätig zu werden. Eine Gefährdung der Kinder sei zu keinem Zeitpunkt erkennbar gewesen. Die Kinder hätten einen ordentlichen Eindruck gemacht. Sie seien nicht verwahrlost gewesen und auch das Haus habe soweit einen guten Eindruck gemacht.

Die Mutter stand in der Zeit vom 14. April bis 4. Mai 2014 mehrfach mit den Behörden in Kontakt. Ein Tätigwerden sah man seitens der Behörden jedoch als nicht erforderlich.

In der Nacht vom 4. Mai nahm das Unglück seinen Lauf. Die 39-jährige Mutter ging mit ihren drei Kindern gemeinsam ins Schlafzimmer und sagte zu ihnen:

„Heute schlafen wir alle wieder zusammen“.
Quelle: Bild, 01.11.2015

Ben, Titus und Milla freuten sich darauf mit ihrer Mama einschlafen zu dürfen. Ihre Mutter hatte jedoch insgeheim einen anderen Plan. Während es sich die drei Kinder im Bett gemütlich machten, zündete die Mutter im Garten Holzkohle in zwei Grillschalen an und trug sie ins Schlafzimmer. Sie hatte ihre Tat bis ins kleinste Detail geplant. Um sicher zu gehen, dass das Kohlenmonoxid nicht ausweichen konnte, dichtete sie die Fenster mit Handtüchern ab; das Türschloss verklebte sie. Dann legte sie einen Abschiedsbrief in den Flur, den sie bereits vor längerer Zeit geschrieben hatte. Den Rettern hinterließ sie noch eine Nachricht, um diese vor der Vergiftungsgefahr zu warnen.

Wie lange der Todeskampf dauerte, ist unbekannt. Wenn die Kinder während des Schlafens vergiftet wurden, wurden sie zuerst bewusstlos, danach setzte die Atmung aus und ihr Tod trat ein. Wären die Kinder noch wach gewesen, hätten sie mit schlimmen Vergiftungserscheinungen zu kämpfen gehabt.

Als der Onkel der Kinder die Familie am nächsten Tag fand, rief er umgehend den Notdienst. Gegen 14:30 Uhr trafen die Rettungskräfte und die Polizei am Tatort ein. Die Mutter der Kinder konnte noch gerettet werden und kam mit einer schweren Kohlenmonoxidvergiftung ins Krankenhaus. Die drei Kinder waren tot.

Das tragische Schicksal um die drei getöteten Kinder setzte eine ganze Stadt unter Schock. Wenige Tage nach dem Mord an Ben, Titus und Milla wurde ein Gedenkgottesdienst für die drei Geschwister veranstaltet. Rund 200 Menschen nahmen Anteil an dem tragischen Schicksal der Kinder und wohnten dem Gedenkgottesdienst in der katholischen Pfarrkirche bei.

Gerichtsurteil
Gegen die Mutter wurde ein Haftbefehl erlassen. Aufgrund ihrer schweren Verletzungen war sie einige Zeit in einem Vollzugskrankenhaus stationär untergebracht.

Für den Mordprozess beim Schwurgericht wurden vier Verhandlungstage angesetzt, die bis einschließlich 19. November 2015 andauern sollten.

Die Angeklagte erlitt durch die Tat schwere Hirnschäden, so dass man nicht wusste, ob sie überhaupt vor Gericht gestellt werden konnte.

Die Staatsanwaltschaft ging von Mord aus und forderte daher eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren. Sie warf der Angeklagten vor, sie habe aus rein egoistischen Gründen gehandelt. Sie sei mit ihrem Leben unzufrieden gewesen und wollte deshalb ihr Leben und das ihrer Kinder durch erweiterten Suizid beenden.

Der Vater des ältesten Kindes trat als Nebenkläger auf.

Die Verteidigung der Angeklagten plädierte auf Totschlag und hielt eine Strafe von sechseinhalb Jahren als angemessen. Die milde Strafe wurde damit begründet, dass die Mutter aus reiner Verzweiflung gehandelt habe. Sie wollte verhindern, dass ihre Kinder auseinander gerissen werden. Ben stammte aus einer früheren Beziehung, während Titus und Milla aus ihrer derzeitigen Beziehung stammten. Als weiteren Grund nannte die Verteidigung, dass die Angeklagte laut eigener Aussage Angst davor gehabt hatte, dass ihre Kinder Opfer von sexuellem Missbrauch werden könnten, da sie selbst Opfer von sexuellem Missbrauch gewesen sei. In einer Erklärung verlas der Anwalt der Mutter:

„Ich weiß, dass ich Entsetzliches angerichtet habe. Ich dachte, es ist das Beste für mich und meine Kinder, wenn wir gemeinsam aus dem Leben scheiden“.
Quelle: Spiegel Online, 19.10.2015

Die Mutter von Ben, Titus und Milla wurde zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Bei der Urteilsverkündung war man fest davon überzeugt, dass die Mutter heimtückisch handelte. Sie lockte ihre arglosen Kinder bewusst in eine tödliche Falle. Das Schwurgericht sah die Tat der Angeklagten als Verzweiflungstat: Der Ehemann im Gefängnis und dazu finanzielle Sorgen. Das Gericht verhängte bei seiner Urteilsverkündung keine lebenslange Haftstrafe, da man der Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit zusprach. Damit blieb das Gericht vier Jahre unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafe.

Bei der Urteilsbegründung warf die zuständige Richterin der Angeklagten Egoismus vor. Die Mutter wollte nicht alleine sterben. In ihrem Abschiedsbrief hatte die Angeklagte wörtlich geschrieben:

„Meine Kinder gehören zu mir und bleiben bei mir.“
Quelle: Spiegel Online, 07.11.2015

Die verantwortlichen Mitarbeiter der Behörden mussten mit keinerlei Konsequenzen rechnen. Laut Staatsanwaltschaft sei man nach einer Überprüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine Hinweise auf ein Fehlverhalten gegeben hatte.