Dies ist die Geschichte von Adriano aus Flensburg. Im Alter von acht Monaten wurde er, Ende Februar 1999, zu Tode misshandelt.
Adrianos Mutter wuchs in Nordfriesland auf. Bereits als Kind wurde ihr die Verantwortung und Pflege für ihre fünf jüngeren Geschwister übertragen. Von ihrer Mutter wurde sie dafür nicht geschätzt, sondern vielmehr beschimpft. Der Vater versuchte, sie zu missbrauchen. Seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr lebte sie dann in einem Heim.
Im Alter von siebzehn Jahren lernte sie einen Mann kennen. Dieser kam vor vielen Jahren als Bürgerkriegsflüchtling nach Deutschland. Mit ihm wollte sie eine Familie gründen, sich eine eigene heile Welt schaffen und wurde dann auch kurze Zeit später schwanger. Noch während der Schwangerschaft trennte sie sich allerdings von ihrem Lebensgefährten, da dieser ihr gegenüber gewalttätig geworden war. Von der bevorstehenden Geburt des gemeinsamen Kindes ahnte er zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Vier Wochen, nachdem Adriano das Licht der Welt erblickt hatte, fanden seine Eltern wieder zueinander. Die Mutter zog sodann mit ihrem kleinen Sohn nach Flensburg in eine Einzimmerwohnung, zu ihrem Lebensgefährten, dem Vater von Adriano.
Die Familie von Adrianos Vater empfand allerdings die Mutter als „nicht gesellschaftsfähig“. So wurde unter anderem ausgesagt, dass sie Adriano nicht versorgen könne und fortan wurde sie stets von einem der Familienmitglieder beaufsichtigt, wenn ihr Lebensgefährte außer Haus war. Auch wurde ihr untersagt, alleine mit ihrem Sohn spazieren zu gehen oder im Wohnzimmer zu verweilen, wenn Besuch anwesend war. Ebenso verbot der Lebensgefährte ihr, einzuschreiten, wenn er Adriano zum ruhig sein erziehen wollte.
Aus Angst, auch um ihren Sohn, fügte sie sich ihrem Mann und dessen Familie.
Mitte des Jahres meldete die Mutter ihren Sohn als vermisst. Irgendwann gelang es der Mutter nicht mehr, die Vortäuschung einer Kindesentführung aufrecht zu erhalten und sie brach während den polizeilichen Vernehmungen ihr Schweigen.
Sie erzählte, dass Adriano inzwischen schon vier Monate tot sei und schilderte die Umstände, die zu Adrianos Tod geführt hatten.
Weil Adriano oft unruhig gewesen sei und geschrien habe, hätte der Vater ihn oft geschlagen und gekniffen. Adriano hatte viele blaue Flecken, an seinem Kopf und an den Beinen. An einem Morgen, im Februar, als der kleine Junge wieder einmal schrie, duschte der Vater ihn erst kalt ab, setzte in dann in eine gefüllte Badewanne und überließ ihn seinem Schicksal.
Adriano habe „gezappelt“, gequiekt“ und „geschrien“. Als mehrere Minuten vergangen waren, kehrte der Vater zurück ins Badezimmer und nahm seinen Sohn aus der Badewanne. Er versuchte, das Wasser, welches Adriano verschluckt hatte, aus dem aufgeblähten Bauch herauszubekommen. Als dies misslingt, legte er den kleinen Jungen auf dem Bauch in sein Bettchen. Adriano begann erneut zu schreien. Der Vater riss den Kopf seines Sohnes hoch und warf ihn umgehend wieder ins Kissen zurück. Adriano war still. Eine Stunde lang schauten weder Mutter noch Vater noch einmal nach ihrem Sohn. Als beide bemerkten, dass kein Leben mehr in Adriano war, gerieten sie in Panik.
Sie beschlossen, keinen Notarzt zu alarmieren, denn dann wären womöglich die Misshandlungen entdeckt worden. Nach Überlegungen, ob sie den kleinen Körper vergraben, im Meer entsorgen oder verbrennen sollten, entschieden sie sich dafür, sich diesem durch den Backofen in der Küche zu entledigen.
Sie steckten den kleinen, bereits erstarrten Körper in den Ofen und ließen ihn brennen. Auch am darauffolgenden Tag. Die Überreste verstauten sie in einer Plastiktüte, welche Adrianos Mutter in eine Mülltonne warf. Den Backofen entsorgten sie auf dem Sperrmüll.
Beweise konnten nicht mehr gesichert werden, alles stützte sich allein auf die Aussage der Mutter. Der Vater wies jegliche Schuld am Tod seines Sohnes von sich.
Gerichtsurteil:
Der Prozess stützte sich lediglich auf die Aussage der Mutter. Hierüber wurde ein Glaubwürdigkeitsgutachten erstellt. Der Psychologe, der dieses erstellte, gab an, dass Adrianos Mutter derartige Details zum Tathergang, ohne Erlebnisgrundlage, höchstwahrscheinlich nicht erfunden haben könne.
Diesbezüglich fand auch ein Ortstermin statt, um den Ablauf der Tat zu rekonstruieren. Wie die Mutter im Stande gewesen war, ihren kleinen Sohn in einen Backofen zu stecken, diesen aufzudrehen und, aufgrund des unausstehlichen Geruchs, die Wohnung zu verlassen, nur um anschließend wiederzukehren und den Vorgang erneut zu wiederholen, konnte nicht beantwortet werden. Auch nicht, was in ihr vorging, als sie die Überreste von Adriano in eine Plastiktüte steckte, um diese dann in den Müll zu werfen.
Ein Arzt der Jugendpsychiatrie sagte aus, dass bei Adrianos Mutter eine „Verflachung der emotionalen Empfindungen“ vorgelegen habe und sie von ihrem Mann abhängig gewesen sei, sich diesem vollends gefügt habe. Durch die Erfahrungen in ihrer Kindheit, habe sie gelernt sich „gehorsam an anderen auszurichten“. Sie ordnete sich daher ihrem Mann unter und folgte seinen Anweisungen.
Ende Dezember 1999 wurde der Vater wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Misshandlung eines Schutzbefohlenen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Die Mutter wurde wegen Körperverletzung durch Unterlassen zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Die Richter bewerteten bei der Mutter strafmildernd, dass diese aus Angst vor ihrem Lebensgefährten ihren kleinen Sohn nicht geschützt habe. Zudem ließ das Gericht verlauten, dass die Vernichtung von Adrianos Leichnam im Backofen keine strafbare Handlung gewesen sei, weil er womöglich vorher schon verstorben sei.
Der Vater hatte bis zum Schluss jegliche Beteiligung und Vorwürfe abgestritten.