Aaya

Das ist die Geschichte von Aaya, die im Alter von elf Jahren am 21. März 2014 ermordet worden ist.

Aaya lebte gemeinsam mit ihren Eltern und ihren drei Geschwistern, einem Bruder und zwei Schwester in Neu Wulmstorf, Landkreis Harburg in einem Reihenhaus. Ihre Eltern, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, hatten in Deutschland beruflich Fuß gefasst. Ihre Mutter war als Gynäkologin tätig, ihr Vater, der gebürtig aus dem Gazastreifen stammte, war als Ingenieur beschäftigt. Aaya besuchte die 5. Klasse einer Realschule. Ihr Bruder, der, wie später bekannt wurde, eine von Konflikten belastete Beziehung zu seinen Eltern hatte, ging auf ein Gymnasium und sollte zeitgleich noch einen arabischen Schulabschluss durch ein Fernstudium abschließen.

In der Nachbarschaft galt die Familie als anständig und freundlich. Doch in der Familie selbst gab es große Schwierigkeiten. Aayas Bruder fühlte sich von seinen Eltern unter Druck gesetzt. Schulisch, aber vor allem auch in Bezug auf die Religion. Sein Vater akzeptierte den westlichen Lebensstil seiner Kinder nicht, es herrschten strenge muslimische Regeln in der Familie und viele Verbote. Auch wurde Gewalt gegenüber den Kindern angewandt und so sagten später Zeugen aus, dass Aaya und ihre Schwestern blaue Flecken aufwiesen. Aayas Bruder wurde ebenso von seinem Vater geschlagen, mit der Faust ins Gesicht, weil er sich beispielsweise in einem Fitnessstudio angemeldet hatte. Es gab viel Streit zwischen Aayas Bruder und ihren Eltern. Ihr Bruder wollte eben auch, neben der Religion, einfach nur ein normaler Jugendlicher sein. Zu Aaya und ihren Schwestern hatte er, so Zeugen, ein enges Verhältnis. Er sei liebenswürdig, hilfsbereit und sehr fürsorglich gewesen. Vor allem Aaya liebte er über alles.

Irgendwann wurde für Aayas Bruder alles zu viel. Er fehlte regelmäßig in der Schule und beendete diese letztendlich „nur“ mit dem Realschulabschluss. Er verließ sein Elternhaus im Alter von 17 Jahren, lebte bei Freuden und begann Drogen zu nehmen. Eine Versöhnung mit seinen Eltern fand im Sommer 2013 statt. Doch dann gab es abermals Streit mit seinen Eltern, weil er sich mit seiner nicht-muslimischen Freundin verloben wollte. Seine Eltern stellten ihn vor die Wahl, entweder die Familie oder die Freundin. Aayas Bruder entschied sich für seine Freundin.

Erst kurz vor Aayas Tod kam er nach Hause zurück.

Am Abend des 21. März 2014 wurde Aaya von ihren Eltern als vermisst gemeldet. Erst suchte der Vater selbst nach seiner Tochter. Als er sie nicht finden konnte, informierte er die Polizei. Bei der Suche nach Aaya wurde sodann das elterliche Grundstück durchsucht. Aayas Leiche wurde schließlich in einer Plastiktüte in dem Gartenschuppen auf dem Grundstück gefunden. Sie war vollständig bekleidet, nur ihre Schuhe fehlten.

Bei der Obduktion wurde festgestellt, dass Aaya massiv gewürgt worden war und ihr Todeskampf mindestens zwei Minuten gedauert haben musste. Somit schied ein Unfall als Todesursache aus. Es stand für die Ermittler außer Frage, dass Aaya vorsätzlich getötet wurde.

Ins Visier der Ermittler rückte schnell der nun 18-jährige Bruder. Auf Aayas Leiche und dem Müllsack, in dem sie gefunden worden war, wurden Spuren gefunden, die sich ihren Bruder zuordnen liesen. Die Familie verstrickte sich in widersprüchliche Aussagen. Beispielsweise behauptete der Vater, dass er Textnachrichten erhielt, in denen geschrieben war, dass Aaya nach Bayern entführt worden wäre. Bei den Ermittlungen fanden sich jedoch keine solchen Nachrichten.

Letztendlich wurde im Juni 2014 durch die Staatsanwaltschaft Stade gegen Aayas Bruder Anklage wegen  Totschlag erhoben.

Gerichtsurteil:
Mitte Dezember 2015 begann der Prozess gegen Aayas Bruder. Dieser war rein auf Indizien gestützt und größtenteils auf die gefunden Fasern und Spuren.

Aayas Bruder beteuerte im Prozess seine Unschuld und auch seine Eltern, die tröstend an seiner Seite standen, waren der Überzeugung, dass die Tat von jemandem außerhalb der Familie verübt worden sei. Aussagen machen wollten aber die Eltern als auch Aayas Bruder nicht vor Gericht.

Am 17. Dezember 2015 wurde Aayas Bruder zu sieben Jahren Haft wegen Totschlages nach Jugendstrafrecht verurteilt.

Trotz des Prozesses blieben viele Fragen, wie beispielsweise die Frage nach dem Motiv oder dem genauen Tathergang offen. Auch war für einige Prozessbeobachter fraglich, ob mit Aayas Bruder auch der wahre Täter verurteilt worden war. Denn die Verteidigung hatte auch den Vater als möglichen Täter ins Spiel gebracht.

Das Schicksal von Aaya bleibt somit in vielen Punkten, trotz der Verurteilung ihres Bruders, ungeklärt.