Dies ist die Geschichte von Angelina aus Ludwigshafen. Sie starb im Alter von vier Jahren am 27.03. 2004 an einer Kochsalzvergiftung, die ihr unwissend und doch unter Zwang von ihrer Stiefmutter zugeführt wurde.
Angelinas Eltern lebten getrennt, der Vater führte eine neue Beziehung, in die vier Monate vor Angelinas Tod, ein Halbbruder geboren wurde.
Am 26.03.2004 befand sich die Stiefmutter allein mit Angelina und dem Baby in der Wohnung des Vaters. Dieser arbeitete und wurde erst am späten Nachmittag des Tages zurück erwartet. Während die Stiefmutter ihrem Sohn im Wohnzimmer die Flasche gab, schlich Angelina in die Küche, um sich einen Schokoladenpudding aus dem Kühlschrank zu nehmen. Wenn die Erwachsenen des Haushalts einen dieser Puddings aßen, streuten sie sich stets Zucker darüber, um ihn zusätzlich zu süßen. Dies wollte Angelina ebenfalls tun, griff jedoch das Paket mit dem Salz . Auch gelang es ihr nicht, den vermeintlichen Zucker zu dosieren, sodass insgesamt 32g Salz in dem 200g Becher landeten. Der Rest ergoss sich auf den Fußboden. Das Mädchen probierte anschließend den Pudding, befand ihn als nicht genießbar und ließ ihn stehen.
Als die Stiefmutter kurze Zeit später die Küche betrat, sah sie das verstreute Salz und den geöffneten Pudding. Sie sei genervt gewesen, gab sie vor Gericht zu und habe Angelina aus erzieherischen Maßnahmen gezwungen, den Pudding ganz aufzuessen. Sie drohte ihr, dass der schwarze Mann kommen und sie holen würde, wenn sie es nicht täte.
Kochsalz ist bereits ab 0,5 – 1g pro Kilogramm Körpergewicht tödlich für Kinder. Angelina wog zu diesem Zeitpunkt 15kg, was bedeutete, dass sie durch den Pudding etwas über 2g Kochsalz pro Kilogramm Körpergewicht aufnahm. Die Folgen zeigten sich bereits kurze Zeit später durch Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Als Angelina zunehmend komatöser wurde, rief die Stiefmutter hilfesuchend ihre Tante an. Diese riet ihr, das Mädchen umgehend in ein Krankenhaus zu bringen. Dennoch wartete sie mit dem Absetzen des Notrufs, bis der Vater von der Arbeit heimkehrte.
Trotz sofortiger intensivmedizinischer Betreuung verstarb Angelina nach 36 Stunden, am 27.03.2004, an einem massiven Hirn – und Lungenödem und einem Herz-Kreislaufversagen in Folge der extremen Hypernatriämie (hyper = zu viel, Natriämie = Natriumgehalt des Blutes).
Die Stiefmutter berichtete zunächst, dass Angelina sich den Pudding nicht nur allein aus dem Kühlschrank genommen, sondern auch gegessen habe. Sie wurde hierauf erst aufmerksam, als Angelina sich bereits erbrach. Diese Variante enthielt jedoch Ungereimtheiten, die Angehörige aufhorchen ließen. Sie wandten sich an die Polizei, die Ermittlungen begannen.
Gerichtsurteil:
Die Staatsanwaltschaft erhob zunächst einen Mordverdacht gegen die Stiefmutter und untersuchte auch die Beteiligung des Vaters an dem Geschehen. Dieser war jedoch nicht involviert und wurde zeitnah entlastet.
Die Anklage gegen die Stiefmutter lautete sodann auf Mord, da angenommen wurde, dass sie den Pudding versalzen und Angelina damit habe vergiften wollen. Im Gericht wiederholte die Stiefmutter ihre Variante der Geschichte. Der Staatsanwalt hatte jedoch für diesen Fall vorgesorgt und einen medizinisch begleiteten Versuch in einem Kindergarten vorgenommen. Den Kindern dort wurden jene Schokopuddings vorgesetzt, die auch Angelina gegessen hatte. Diese wurden jedoch nur minimal versalzen, sodass die Kinder keiner Gefahr ausgesetzt waren. Bis auf wenige Ausnahmen aß keines der kleinen Tester den Pudding. Somit konnte widerlegt werden, dass Angelina von sich aus einen Pudding zu sich nahm, der um ein vielfaches mehr versalzen war.
Die Stiefmutter brach während des Prozesses ein und gestand, dass sie das kleine Mädchen zum Verzehr gezwungen hatte. Sie habe sie jedoch nicht töten oder verletzen wollen und ihr sei nicht klar gewesen, dass eine solche Menge Kochsalz gefährlich sei. Sodann musste die Staatsanwaltschaft die Mordklage fallen lassen und plädierte auf Körperverletzung mit Todesfolge. Doch auch diese Anklage ließen die Richter nicht gelten. Sie stimmten zu, dass die Stiefmutter nicht wissen konnte, wie gefährlich das Salz war.
Auch der gerufene Rettungsassistent und die Kindergärtnerinnen, bei der die Versuchsreihe stattfand, wussten hierüber nicht Bescheid. Ebenso wenig die Strafkammer.
Die leibliche Mutter, die ebenso wie der Vater die Nebenanklage bekleidete, war zu Prozessbeginn sehr aufgebracht und beschimpfte die Angeklagte.
Aufgrund des Unwissens der Täterin, lautete das Urteil auf leichte Körperverletzung mit einer Verurteilung zu 14 Monaten auf Bewährung. Die Anklage hatte 3, 5 Jahre Haft gefordert, die Verteidigung einen Freispruch.
Als die Staatsanwaltschaft Revision einlegte, ging das Verfahren an den Bundesgerichtshof. Hier testeten die Geschworenen die in Originalstärke versalzenen Puddings selber und befanden, dass es zwar keinerlei Vorsätze für eine Tötung gegeben habe, allein der Geschmack des Puddings jedoch ausreiche, um von einer gefährlichen Körperverletzung durch Gift auszugehen. Die Großeltern Angelinas schrieben einen Brief an den Bundesgerichtshof, in dem sie um eine höhere Strafe für die Stiefmutter baten. Sie erhofften sich, dass Angelinas Tod nicht umsonst gewesen sei. Die Richterin ging in ihrer Urteilsbegründung zwar auf diesen Brief ein, das Strafmaß blieb jedoch unverändert.
Ungeklärt blieb, ob die Stiefmutter neben der Androhung des schwarzen Mannes Gewalt anwendete, um Angelina den Pudding zuzuführen.